kolinko: »Gewerkschaftsarbeit, Widerstand und Interessenvertretung in Call-Centern« Diskussions-Veranstaltung am 18. April 2001

Ankündigung zur Diskussion mit KOLINKO - Kollektiv in kommunistischer Bewegung

Die Gruppe kolinko arbeitet im Ruhrgebiet an der Organisation revolutionärer Interessenvertretung der Beschäftigten im Bereich der ›new economy‹, schwerpunkt­mäßig in Call-Centern.

»Wir wissen, dass wir uns selbst nur in den Auseinandersetzungen befreien können, in denen die Ausgebeuteten die Alltäglichkeit des Kapitalismus und seiner Beziehungen zer­stören ... Im Ruhrgebiet müssen wir uns ansehen, was mit der übrig gebliebenen Schwer- und Metallindustrie passiert und welche neuen Sektoren und Produktionsketten entste­hen. Es stellt sich die Frage, ob die ArbeiterInnenfigur des Facharbeiters der Montan­industrie und der Haus- bzw. Nebenjobarbeiterin ihre zentrale Position verliert und ob sich in Elektronikklitschen, den Zulieferbetrieben und ›Dienstleistungsunternehmen‹ eine neue mobilere ArbeiterInnenfigur entwickelt. Diese Untersuchung ist notwendig, um die materielle Grundlage für kommende Klassenauseinandersetzungen zu begrei­fen.« (Aus dem KOLINKO-Papier ›Subversion des Alltags‹)

 

Veranstaltungs-Bericht aus dem Zirkularbrief 1, Mai 2001

Die zwei Mitglieder der Gruppe »Kollektiv in kommunistischer Bewegung« aus dem Ruhrgebiet berichteten nicht »nur« über ihre Erfahrungen im Zusammenschluss mit anderen – in der Regel ebenfalls jüngeren – ArbeiterInnen im Call-Center, wo die Bedingungen heutiger Lohnarbeit und ihrer intensivierten Ausbeutung ebenso neuartig wie altbewährt erscheinen – allerdings neu arrangiert in extremer Zuspitzung, Verinnerlichung, Atomisierung bis hin zur Ausbildung einer gewissermaßen multiplen Persönlichkeit in die restliche »Freizeit« hinein…

Sondern zugleich mit den ebenso weichgespülten wie knallharten Kontrollmechanismen von »Dienstleistern« und »Kunden« auch über tatsächliche Möglichkeiten, auf neue Weise die »offenen Poren« dieses geschlossenen Alltags einer subtil-totalitären Entfremdung aufzuspüren und subversive Widerständigkeit zur Resonanz zu erwecken. Darüber hinaus ging es vielmehr um die generelle Möglichkeit, ja »Strategie« eines revolutionären Konzepts von »Untersuchung + Intervention« : nicht beschränkt auf den Extremfall Call-Center, sondern als Aufforderung an revolutionäre Kollektive, sich auf bestimmte Bereiche heutiger Lohnarbeit/Kapitalproduktion zu konzentrieren, diese durch teilnehmende Beobachtung zu untersuchen und mit Interventionen aus der dort vorfindlichen Bewegung zu experimentieren. Die besonders schwierigen und besonders spannenden Erfahrungen mit relativ wirkungsvollen Flugblattinterventionen in einigen Call-Centern können eben zu solcher Praxis ermutigen.

Strittig war in der lebhaften Diskussion die Einschätzung – sowohl aus der Erfahrung mit Call-Center-Ausbeutung als auch aus Theorie/Strategie-Ansprüchen heraus –, ob die notwendig nur punktuelle Ansatzweise und flüchtige Praxis solcher Zusammenschlüsse, ob die komplizierte Neubestimmung von Ware Dienstleistung /Gebrauchswert und »immateriellen Produzenten/Konsumenten « einerseits, die theoretische Unterbestimmtheit der Begrifflichkeit /des Konzepts wie : »gegen die Arbeit, gegens Geschlecht « usw. andererseits – dem selbstgesetzten hohen Anspruch nichtgetrennter, nicht-elitärer »kommunistischer Bewegung« und gar Strategie schon genügen kann. Einen Anspruch immerhin, von dessen realistisch möglicher Umsetzung die Referenten auf ebenso nüchtern-bescheidene wie eindrucksvolle Art überzeugen konnten.

Ch

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