Diskussionsbeitrag für die theorie praxis lokal -Grundsatzdebatte

P.C. , Frankfurt/M. Juli/Aug. 2002

Programmatischer Grundmangel kommunistischer Organisierung

Kritisch-konstruktive Bemerkungen zu den 14 »Thesen für das Vernetzungstreffen unabhängiger KommunistInnen in Frankfurt/Main« Ende Juli 2002 zum SeitenendenaechsterAbschnitt

...wenn nicht Marx mit zornig zusammengezogenen Brauen ihn unterbrochen und seine Entgegnung begonnen hätte. Das Wesentliche seiner sarkastischen Antwort war, dass es einfach ein Betrug sei, das Volk aufzuwiegeln, ohne ihm irgendwelche festen, durchdachten Grundlagen für seine Tätigkeit zu geben. Die Erweckung phantastischer Hoffnungen, von denen soeben die Rede gewesen, fuhr Marx fort, führe niemals zur Rettung der Leidenden, sondern muss zu ihrem Untergang führen. Zumal in Deutschland sich an die Arbeiter wenden ohne streng wissenschaftliche Ideen und konkrete Lehren, sei gleichbedeutend mit einem leeren, gewissenlosen Spiel mit der Propaganda, wobei einerseits ein begeisterter Apostel vorausgesetzt wird, andererseits nur Esel, die ihm mit aufgesperrten Maule zuhören. - In einem zivilisierten Lande wie Deutschland, entwickelte Marx seine Meinung weiter, kann man ohne feste, konkrete Lehre nichts ausrichten und hat auch bis jetzt nichts ausgerichtet als Lärm, schädliche Ausbrüche und Zugrunderichten der Sache selbst, die man in die Hand genommen.

Die bleichen Wangen Weitlings färbten sich, und seine Sprache wurde frei und lebhaft. Mit vor Erregung zitternder Stimme begann er zu beweisen, dass ein Mensch, der Hunderte von Menschen im Namen der Idee der Gerechtigkeit, Solidarität und brüderlichen Liebe um sich geschart habe, nicht ein müßiger Mensch genannt werden könne, (...) dass vielleicht seine bescheidene Vorbereitungsarbeit für die gemeinsame Sache von größerer Wichtigkeit sei als die Kritik und die Kabinettsanalysen, die entfernt von der leidenden Welt und den Drangsalen des Volkes entwickelt werden.

Die letzten Worte brachten Marx endgültig in Wut, er schlug in voller Wut mit der Faust auf den Tisch, dass die Lampe darauf erzitterte, und aufspringend rief er:

»Niemals noch hat die Unwissenheit jemandem genützt.«
Wir folgten seinem Beispiel und erhoben uns gleichfalls.

Pavel V. Annenkov (1880) über das Dominanzverhalten des Karl Marx (in: »Gespräche mit Marx und Engels« Bd.1,1973, S.61f)

zum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnittAd 1.

Wissenschaftliche Theoriebildung als zentrale Achse der kommunistischen Organisation-im-Werden

1.1:

Der Hauptmangel der ganzen 14 Thesen springt als gähnende Leerstelle gleich in der 1.These hervor: sich nicht vorab und grundlegend als wissenschaftliche KommunistInnen zu definieren. Damit gerät die Abgrenzung gegen die Linke(n), deren Teil die KommunistInnen bleiben, deren bürgerliche Bornierung sie aber überwinden müssen, völlig ins Schwimmen und wird zur bloßen elitären Geste; der proletarische »Standpunkt« bleibt diffus und gefühlsmäßig, die revolutionäre Klassenorientierung unausgewiesen, bloße Versicherung, irrational.

Alle programmatischen Äusserungen werden aufgrund dieses Defizits unnötig utopisch oder bleiben in reformistischer Illusionsmacherei hängen, leisten auch anarchistischen und pazifistischen Illusionen Vorschub, lassen sämtlichen bürgerlichen und arbeiterbewegungstraditionellen Mythen Tor und Tür offen statt sie vor all diesen Vorstellungen endlich und von vornherein zuzuschlagen, die sich schon wiederholt als verhängnisvoll erwiesen haben. So kann keine Programmatik, d.h. kein strategisches Planen, kein Benennen schon heute benennbarer Brückenköpfe, Stützpunkte, Reserven und Etappen der proletarischen Revolution zustandekommen, was aber schon in diesen Thesen nicht nur angekündigt wird sondern durchaus gut möglich wäre.

Es wäre hier durchaus ebenso möglich und nötig wie eine Andeutung, Grundbestimmung von Taktik der heutigen KommunistInnen, d.h. eine Bestimmung ihrer realen politischen Verhaltensmaximen, kurz: heutiger kommunistischer Politik  -  vor allem zunächst ex negativo anzugeben (d.h.: zu sagen, was und wie sie nicht sein darf). Was der Titel verspricht: »programmatische Grundlagen«! wird also von den Thesen durchgängig Lügen gestraft.

Was aber die Vorstellung von »Organisierung« betrifft, so  handelt es sich hier um eine eklektische Bettelsuppe aus Liquidatorentum und post-leninistischem Fetischismus »der« Organisierung  in prinzipienloser Beliebigkeit, einer zwischen diesen beiden Polen aufgespannten bewegungslinken Selbstzweckerklärung, die nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner erkennen lässt: jeden lästigen Theoriebildungsanspruch abzuwerfen zwecks Fischen im Trüben einer gesinnungssozialistischen Vernetzungsdiplomatie um ihrer selbst willen. Liquidiert wird nämlich jeder Rest kommunistischer Theoriebildung als Kern und Motor kommunistisch proletarischer Selbstorganisierung  in der programmatischen, unlösbaren Einheit von Praxis-der-Theorie (=theoretische Praxis) einerseits und Theorie-der-Praxis (=praxisleitende Theorie die in revolutionäre Praxis der Klasse umschlägt) andererseits, die allerdings eine höchst widersprüchliche und immer schwierige ist. Genau deshalb bedarf sie ja der Organisation, denn wo bloße Spontaneität herrscht, kann sie sich nie und nimmer entwickeln! Kurz: der entscheidenden Aufgabe kommunistischer Organisation: der Organisierung der Vermittlungsarbeit von Theorie/Praxis hin zu konkreter Politik, wird strikt aus dem Wege gegangen; sie wird hier ersetzt durch ein undefinierbares amorphes Wesen mit Namen wie Vernetzung, Assoziation, Basisorganisationen, unabhängige Kommunisten und dergleichen Wohlklingendes mehr, denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

Auf das Organisations-Surrogat ist an seiner Stelle noch einzugehen; hier ist nur festzustellen, dass eine von wissenschaftlichem Kommunismus entkernte Organisationsbastelei auch keine andere als eine von vornherein opportunistische, prinzipienlose Programmatik und Politik zustandebringen kann. Mag sie sich auch noch so emphatisch am »Standort Proletariat« verorten, um so mehr bleiben ihre Einschätzungen subjektivistisch, um so enger und bornierter muss sich solche »Organisierung« auf  bloße Gesinnungen, Gefühle, Mythenreste, ideologische Besitzstandswahrung, traditionalistischen Muff und verbürg(er)te Wahrheiten der Linken beschränken, von der sie sich doch durch den Lippendienst am Proletariat abheben will. So kommt aber eine mystifizierte, krypto-«leninistische« Apparatur als »Organisations«-Fetisch neben und über der Theoriebildung der Kommunisten durch die Hintertür unweigerlich wieder herein, während die nicht wissenschaftlich bestimmte Theorie von dieser Apparatur im Namen der politikasternden Pseudo-«Praxis« gezüchtigt, heruntergestutzt und in eine Nische gedrängt wird (»Schulungswesen«, »Bildungsarbeit«, »ideologische Ausrichtung«, »unsere Theoretiker-Spezialisten« etcpp.).

Dort wird sie dann sowohl kleingehalten und an der kurzen Leine geführt als potenzielle Dissidenz, Stänkerei und Ketzerei (»immer diese Intellektuellen« »Wirrköpfe«,«abgehoben wirklichkeitsfern« usf.) als auch zur tendenziellen Parteisekten-Weltanschauung hinauf-hierarchisiert: denn nichtwissenschaftlich bestimmte »Kommunisten« bedürfen wie Suchtkranke pragmatischer Standpunktmeinungen von höchster »theoretischer« Warte als Handlungsanweisungen für den tagespolitischen und ökonomistischen  Alltagsgebrauch immer frisch auf den Tisch, denn »Was sagen wir morgen den Kollegen«, das »theoretisch« gefälligst hopphopp »herunter«zutransformieren, dazu sind die Sekten-Ideologen da. »Wissenschaftlicher Kommunismus« ist in diesem Verstand bloß eine autoritative Verstärkung von »wissenschaftlicher Weltanschauung« oder so, und bleibt wie diese gefälligst die Magd der Organisation.

Die Köchin Wissenschaft, die den Nicht-Staat der revolutionären Diktatur des Proletariats regieren sollte/könnte, wird von derartiger »Organisierung« programmatisch tunlichst draussen vor der Tür stehengelassen. Weiss »die Organisierung« doch instinktiv um ihre Gefährlichkeit für jede, auch organisatorische Mystifikation und Hierarchie. Ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben, ohne wissenschaftlichen Kommunismus keine kommunistische Praxis eines bewussten proletarischen Klassensubjekts, keine kommunistische Revolution. Hier scheiden sich die Geister seit eh und je. Auch die zu organisierende Revolution wird hier besser nicht beim Namen genannt geschweige denn begrifflich herausgearbeitet - bei aller proletarischen Grundsätzlichkeit. Versteht sich wohl alles für Kommunisten, die's in den Genen haben, von selbst.

Hier ist nur eines »programmatisch«: vorprogrammiert ist eine Politik, der ihre »unabhängige Kommunisten«-Bewegung alles, das Ziel nichts ist, weil sie es nicht mal bestimmt, wenn sie sich auf die Reise macht und andere mitnehmen will!  Weil sie garnicht erst den Anker in die Zukunft auswirft; weil sie endlos »strömungsübergreifend« mit dem Strom schwimmen, nicht aber ans andere Ufer kommen will.

Erst wo Kommunisten auf wissenschaftlichem Niveau, d.h. vom Plafond der »Partei Marx« her heute einige grundsätzliche und programmatische Aussagen wagen, wird es für die Proletarisierten und für alle emanzipatorischen Individuen interessant, auch und gerade wo diese Aussagen schrill und undiplomatisch, unzeitgemäß klingen, denn wenn sie den Schnittpunkt von Vergangenheit und Zukunft treffen, artikulieren sie genau unsere Gegenwart. Dann sind sie auch theoretischer  Ausdruck von Kommunismus im historischen, materialistischen, realistischen, praxisfähigen Sinn: »Der Kommunismus ist kein Ideal ... sondern die wirkliche Bewegung, die den bestehenden Zustand aufhebt.« Alles andere ist Utopismus und politikasterndes Geschwätz, weil es keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte für real greifbare praktische Alternativen zur bestehenden Totalscheisse liefern kann. Kurz: wo der wissenschaftliche Kommunismus fehlt, da fehlt die Kategorie Möglichkeit.

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnitt1.2:

Allerdings versteht sich erst recht nicht von selbst, was »wissenschaftlich« ist. Den wissenschaftlichen Kommunismus selbst zu bestimmen müsste erste Aufgabe dieser Thesen sein. Das können wir, weil erstens die »Partei Marx«, d.h. die Begründer eben des wissenschaftlichen Kommunismus, die notwendigen Mindestbestimmungen in hinreichender Klarheit ausformuliert hat, weil zweitens wissenschaftliche KommunistInnen das ganze 20. Jahrhundert hindurch ihr Bestes gegeben haben, um die Wissenschaftlichkeit des theoretischen Ausdrucks der wirklichen kommunistischen Bewegung durch alle Vernichtungsversuche, Verstellungen und Verschüttungen der bürgerlichen und stalinistischen Konterrevolution hindurch zu retten, zu entwickeln und auf ihre »Renaissance« (Lukács) hin neuzuformulieren; und weil drittens unsere eigenen Erfahrungen sowohl mit dem herrschenden, bürgerlichen Verständnis von Wissenschaft wie mit der »dagegen« revoltierenden Unwissenschaftlichkeit und Wissenschaftsfeindlichkeit der Gegenwart, insbesondere in der Linken, uns genügend Anschauungsunterricht gegeben haben und täglich geben, um uns zu befähigen zu einem kommunistischen Resümee.

In einer programmatischen Grundsatzerklärung auf der Höhe der Zeit gilt es demnach als Selbstverständigungsplattform für alle wissenschaftlichen KommunistInnen am Ausgang des 21. Jahrhunderts der Sache nach und als Resultat auf der Höhe der Zeit unbedingt festzuhalten:

Erstens gilt es wissenschaftliches Bewusstsein zu unterscheiden vom Alltagsbewusstsein, vom religiösen (magischen, mythischen u.ä.) Bewusstsein sowie vom ästhetischen Bewusstsein, wobei alle diese Bewusstseinsformen nicht aus sich selbst heraus sondern materialistisch und historisch aus dem Sein der Menschen heraus zu erklären sind, d.h. aus dem naturhaften und aus dem gesellschaftlichen Sein, die alle nicht absolut sondern nur analytisch von einander zu trennen sind und deren komplexeste Wechselbedingtheit im Verhältnis der Individuen und der Gesellschaftsformation als Verhältnis von Denken und Sein jeweils konkret zu bestimmen ist: »Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.« - in letzter Instanz (!).

Wissenschaftliches Bewusstsein ging von Anbeginn seiner Herausbildung spontan von dieser Devise aus an die Untersuchung und Verallgemeinerung der vorläufigen Untersuchungsergebnisse der Wirklichkeit heran, wobei es Wirklichkeit zunächst als Erfahrungstatsachen, Erscheinung, Daseiendes beschreibt und fortgesetzt versucht, deren innere Zusammenhänge und Widersprüche erkennbar und formulierbar zu machen.

Experiment und Erfahrungsauswertung sind nicht in jedem Seinsbereich gleichermaßen anwendbar, so spielen in der Sphäre der politischen Ökonomie im Unterschied zur Naturwissenschaft eine entscheidende Rolle neben der Empirie die Abstraktion (»Gedankenexperiment« etc.) und Kritik (=»Beurteilung,Prüfung«). Da die Denk-Kategorien materialistisch gesehen nur als ideelle Ausdrucksformen von »Daseinsformen, Existenzbestimmungen« des gesellschaftlichen Seins gelten können, kommt der historisch-kritischen Analyse der vorfindlichen Kategorien für wissenschaftliche KommunistInnen die grundlegendste, entscheidende und anspruchsvollste Bedeutung zu.

Die kategoriale Arbeit war schon immer für die PhilosophInnen, diese »WächterInnen der positiven Wissenschaften« (statt »Magd der Theologie« etc.), der Königsweg zum Interpretieren der Welt; für die wissenschaftlichen KommunistInnen, denen es nicht nur darauf ankommt die Welt richtig zu interpretieren, sondern bewusst darauf, sie praktisch revolutionär zu verändern, ist die kategorielle Arbeit nicht mehr bloße Philosophie, nicht allein Streit um die richtigere Interpretation der Welt, sondern materialistische, dialektische und historische Arbeit-an-der-Arbeit selbst: Aufhebung der Philosophie in revolutionäre Praxis-der-Theorie und Theorie-der-Praxis, die permanente Revolution der Arbeit des Begriffs. Denn die Kategorie »Arbeit« (untrennbar von »List«) selbst ist historisch und logisch für jeden wissenschaftlichen Kommunismus die zentrale, basale Kategorie des gesellschaftlichen Seins und daraus entwickelten Bewusstseins in jeglicher Form. Nur idealistischer, utopischer, pseudowissenschaftlicher Kommunismus konnte diese Kategorie vor und nach Marx verengen auf ihre spezifisch historische Form in der kapitalistischen Produktionsweise. Wer andererseits die kategoriale »Grundlagenwissenschaft« des modernen Kommunismus als »bloßes Philosophieren« abtut, diskriminiert und für einen Luxus hält, den sich kommunistische Programmatik, organisatorische Grundsatzerklärung nicht leisten brauche, sägt sich als KommunistIn schlichtweg den Ast ab auf dem er/sie sitzt.

Wissenschaft vom Kommunismus schafft philosophische Interpretationsarbeit, Denkarbeit, Anstrengung des Begriffs und der Kategorien nicht ab sondern hebt sie auf dialektisches und historisches Niveau, wo sie materialistisch wird. Historisch, innerhalb der Klassengesellschaften und im offenen wie versteckten Kampf gegen Mythos, Obskurantismus und Religion tat dies wissenschaftliches Bewusstsein schon immer. Seit Marx tun dies KommunistInnen nicht nur spontan sondern bewusst, programmatisch und systematisch: als Methode und Methodologie zum Zwecke der praktischen Umwälzung des gesellschaftlichen Seins und direkt als »Geburtshilfe« für die kommunistische Produktionsweise. Diese revolutionäre Aktivität schliesst auf jede Weise die theoretische Analyse und praktische Umwälzung des gegebenen Bewusstseinszustands mit ein.

Schon der frühe Marx postuliert, dass auch die Psychologie »zur reellen Wissenschaft werden« muss, soll die Wechselbedingtheit von Arbeit/Produktion (»Industrie«: MEW Erg.Bd.1:542) und Gesellschaftsindividuen analysiert und emanzipatorisch umgewälzt werden; ebenso gilt es die Ästhetik (aisthesis = sinnliche Erkenntnis) aus ihrer Separierung, Abtrennung von den übrigen Gesellschaftssphären heraus zu begreifen und emanzipieren, da das ästhetische Bewusstsein an intuitiv-evokativer Erkenntnisleistung hinter dem begrifflich-wissenschaftlichen Bewusstsein in nichts nachstehen muss, ja dieses sogar unter bestimmten Bedingungen als mimetisch-kathartische Bewusstheitswirkung »popularisierend« totalisierend übertreffen konnte und möglicherweise kann (so Lukács: »Die Eigenart des Ästhetischen«, Kapitel zu: »Die defetischisierende Funktion der Kunst«,«Der Befreiungskampf der Kunst«; W.Benjamin: das »dialektische Bild«; Situationisten: »Aufhebung der Kultur und Kunst in die Revolution« u.a.). Schliesslich bildet das Alltagsbewusstsein die Ebene, auf der sämtliche Bewusstseinsarten zusammengehen, aus dem sie hervorgehen und in das sie vielfältigst vermittelt zurückwirken, so dass seine Komplexität auf pragmatisch-realistische Weise die Produktionsverhältnisse und ihre Wurzel in der Arbeit und den Eigentumsverhältnissen der Menschen progressiv wie regressiv prägt und beeinflusst, was für die Entstehung wie Auflösung von Mystifilkationen, Fetischisierungen, Verdinglichungen und Entfremdungen entscheidend wird - nur ist das Alltagsleben wissenschaftlich-kommunistisch noch kaum untersucht (Marx: »Religion des Alltagslebens« MEW 25:    ;Klassiker: W.Benjamin: Passagenwerk; H.Lefèbvre: »Kritik des Alltagslebens«; Lukács: »Die Eigenart ...«Bd.1; Agnes Heller:« Das Alltagsleben«; situationistische Ansätze).

Was aber das wissenschaftliche Bewusstsein von allen anderen Bewusstseinsformen radikal unterscheidet ist, dass es allein radikal vorsätzlich und  bewusst desanthropomorphisierend vorgeht: d.h., dass seine Erkenntnisanstrengung weit strenger als alle anderen, mit Willen und Bewusstsein von vornherein die unmittelbare Interessiertheit am praktischen Resultat der vorläufigen Erkenntnis fürs untersuchende und denkende Subjekt zurückstellt, bei der Erkenntnisarbeit alle Affekte so weit wie möglich ausschaltet und alle Wunschvorstellungen in Hinblick aufs Ergebnis suspendiert, um die Wirklichkeit-so-wie-sie-ist, die beobachtbaren Daseinsformen objektiv an sich, möglichst weit von jeder Subjektivität entkleidet und ungetrübt wahrzunehmen und ihre Veränderungen, widerspruchsgetriebenen Strukturen und Komplexitäten in ihrer historischen Genese und Zusammenwirkung möglichst weit und tief zu erfassen in den Richtungen ihrer extensiven und intensiven unabschliessbaren Totalität.

Wobei die wissenschaftlichen KommunistInnen gelernt haben, die Methode der »vernünftigen Abstraktion« (Marx, »Grundrisse ...«:    ) und dialektischen Konkretion (Analyse und Synthese) so einzusetzen, dass aus den Komplexen des gesellschaftlichen Seins/Bewusstseins jeweils radikal historisierend das praktisch entscheidende (»wesentliche«) basierende »struktive Zentrum« (Lukács) der jeweiligen Totalität herausgefunden werden kann (Marx: »die Kerngestalt«, »Zellenform«, »ökonomische Basis« etc.) - dies aber nie als abgeschlossenes Bild »der Wahrheit«, die gleichsam durchs Auge Gottes sehen würde, sondern ganz im Gegenteil als unabschliessbarer approximativer (=Annäherungs-) Prozess, der wissenschaftliche Wahrheit graduell erarbeiten und im permanenten fruchtbaren Streit von Rektifizierung und Falsifizierung vorläufiger Hypothesen sichtbar machen, vorläufig sichern und wiederum zur praktischen Disposition stellen kann.

Hauptfeind wissenschaftlichen Denkens ist und bleibt das religiöse Bewusstsein, das Denken der Entfremdung sui generis (selbst noch als Wissenschaftsgläubigkeit, szientifistisch-technologistischer Omnipotenz-Aberglauben, platt-optimistischer Aufkläricht, »fetischisierte Ratio« (Lukács), pragmatistische Manipulation des Erkenntnisgegenstands unmittelbar auf interessiert-bornierte Subjektivität hin, »instrumentelle Vernunft« usw. usf. -- alles auch Erscheinungsformen von geschlossener doktrinärer »wissenschaftlicher Weltanschauung«, wie sie insbesondere im »Marxismus-Leninismus« als stalinistischer »Hyper-Rationalismus« (Lukács) das finstere 20. Jahrhundert  und  die landläufigen Volksvorurteile des Alltagsbewusstseins von Wissenschaftlichkeit mitgeprägt haben). Sodann ist die Macht der »Vulgärwissenschaft« ein nicht zu unterschätzender Feind, den Marx wohl am treffendsten gekennzeichnet weil am nachhaltigsten bei seiner wissenschaftlichen Kritik erfahren hat: »Auf dem Gebiete der politischen Ökonomie begegnet die freie wissenschaftliche Forschung nicht nur demselben Feinde wie auf allen anderen Gebieten.

Die eigentümliche Natur des Stoffes, den sie behandelt, ruft wider sie die heftigsten, kleinlichsten und gehässigsten Leidenschaften der menschlichen Brust, die Furien des Privatinteresses auf den Kampfplatz.« Damit haben es hinfort die wissenschaftlichen KommunistInnen von vornherein und »grundsätzlich« zu tun -- die vulgärwissenschaftliche Apologetik ist allerdings auch im »Marxismus« selber seit Bernsteins Revisionismus und dem »leninistischen« (d.h. stalinistischen) staatsparteilichen »Kommunismus« in aller Herren Länder der innere Feind, der längst einstweilen über Marx e.a. gesiegt hat, was seine Herrschaftsweltanschauungsapologetik betrifft. Es ist überall dasselbe: gegen die wissenschaftliche Methode wird auch von »Kommunisten« immer wieder auf die praktische Interessiertheit des »proletarischen« (ach ja !) Subjekts des Alltagshandelns insistiert, regieren soll die platte pragmatistische Unmittelbarkeit, dem tagespolitischen Taktieren werden »Theorie« und »Wahrheit« kurzerhand angepasst, die umständlichere unbestechliche Suche nach den wirklichen Wesenszusammenhängen wird als »Theoretizismus«, unpraktisch bis praxisfeindlicher Intellektualismus, Kontemplations- und Konfusionsabsicht gegenüber den »handelnmüssenden Proleten« und überhaupt als (parasitäre, nichtarbeitende) Traumtänzerei und »Abgehobenheit« fertiggemacht. »Und dann glaubt der Vulgäre eine große Entdeckung zu machen, wenn er der Enthüllung des inneren Zusammenhangs gegenüber darauf pocht, dass die Sachen in der Erscheinung anders aussehn. In der Tat, er pocht drauf, dass er an dem Schein festhält und ihn als letztes nimmt. Wozu dann überhaupt eine Wissenschaft?« (Marx an Kugelmann 11.7.1868).

Als vorläufiges Fazit oder Quintessenz dieser 150 Jahre Klassenkampf um Wissenschaftlichkeit der KommunistInnen kann sinngemäß in einer programmatischen Grundsatzerklärung von sich heute neu assoziierenden KommunistInnen etwa so formuliert werden: dass der wissenschaftliche Kommunismus als bewusster (sich selber bewusstmachender, an dem Bewusstsein des revolutionären Proletariats arbeitender) theoretischer Ausdruck der wirklichen vor unseren Augen vor sich gehenden Bewegung-die-den-jetzigen-Zustand-aufhebt, gerade weil er auf die umwälzende Praxis dieser Gesellschaftsklasse drängt, die systematische, methodische Suspension (Ausschaltung) des unmittelbaren Interesses und der Tagespolitik und Praxis-im-Handgemenge und ihrer Affekte und Leidenschaftlichkeit zugunsten »der freien wissenschaftlichen Forschung« (Marx) voraussetzt und dass er ganz besonders die Funktion des politischen Handelns, die Alltagspraxis der KommunistInnen im elementaren Klassenkampf auf allen Ebenen durch die Vermittlungsarbeit und theoretische Bewusstheit (Arbeit am Klassenbewusstsein) wissenschaftlicher  Selbsterziehung und Selbstkontrolle zu unterwerfen sucht. Dass diese Selbstverpflichtung, dieser wissenschaftliche Ethos der KommunistInnen die einzig mögliche letztinstanzliche Antwort auf die neue alte historische Problemstellung sein kann: »dass die Umstände von den Menschen verändert [werden (müssen)] und der Erzieher selbst erzogen werden muss.« (Marx: Feuerbach-These 3) - das heisst, die KommunistInnen sind solange kein über den Rest der Gesellschaft erhaben sich dünkender Teil des Proletariats, solange sie sich der wissenschaftlichen Disziplinierung durch das systematische theoretische Studium und die methodische Kritik der historisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit unterstellen sowie gleichzeitig der praktischen Kritik dieser theoretischen Wissenschaftlichkeit durch die Vermittlungsarbeit in den elementaren Kämpfen des Proletariats.

Je klarer und präziser eine solche Formulierung gelingt  - und es muss und kann versucht werden  - , um so eher wird damit die hierarchische Organisationsvorstellung allen historischen Erfahrungen entsprechend nach innen und die gegenüber allen kommunistischen Versicherungen nur allzu berechtigte Furcht nach aussen hin ausgeräumt werden, nämlich die Vorstellung, als ob es eine emanzipatorische kommunistische Organisation ausserhalb  des Proletariats selber geben könnte und eine, die nicht auf striktester wissenschaftlicher Selbstverpflichtung ihrer Theorie und Praxis beruht (sondern auf einem ideologischen, mythischen bzw. quasi-religiösen, diesseitsreligiösen Surrogat für wissenschaftliche Theoriebildung und auf einem Repräsentations-Anspruch fürs revolutionäre Proletariat). Denn beides bedingt sich untrennbar voneinander und hat sich historisch wechselseitig generiert: ein separat organisierter Teil von Menschen, der vermittels seiner Organisation sich über die Gesellschaft erhaben wähnt, insbesondere gegenüber dem Proletariat  -  und eine homogenisierte Ideologie vom Selbstverständnis und Weltverständnis derselben Organisation, die sich nicht der wissenschaftlichen Selbstkontrolle, der permanenten theoretischen Arbeit an der Infragestellung, Kritik ihres homogenen Weltbilds unterzieht, indem sie ihre programmatischen Grundlagen von diesem Selbstkontrollanspruch freigehalten hat und sich nurmehr mit irgendwelchen althergebrachten und/oder zeitgemäß in der Luft liegenden Formeln, Essentials und Phrasen als Plattform begnügt, die sie weder ihrerseits ausdrücklich wissenschaftlich zu begründen versucht noch programmatisch-systematisch zur erneuten wissenschaftlichen Überprüfung  - unabhängig von der Überprüfung in den praktischen Klassenkämpfen, die ja schon von der separaten Organisationsposition blockiert und behindert ist - und damit zur ungeschützten, heterogen von aussen, von der rauhen Wirklichkeit herein einwirkenden Disposition stellen mag. Kurz ein für allemal: Organisierung kann nur als die von Wissenschaftsanspruch und Praxisprogramm in einem zu einer kommunistischen Organisation der sich selbst aufhebenden revolutionären Klasse selber werden.

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnitt Zweitens stellt sich damit die Frage der Unterscheidung und Problematik von Wissenschaftlichkeit und Ideologie, was die kommunistische Organisation des Verhältnisses Theorie/Praxis betrifft. Wissenschaft ist einerseits entschiedenste Ideologiekritik sui generis, und zwar bewusst erst als wissenschaftlich-kommunistische. Zugleich aber ist jede Wissenschaftlichkeit und ganz entschieden und bewusst die Wissenschaft vom Kommunismus selber Teil der Ideologie, ganz einfach weil sie im Klassenkampf eine Funktion hat, so oder so im Handgemenge ihren Einsatz hat als »ideologischer Praxiskomplex« (Lukács) im gesamtgesellschaftlichen »Komplex-aus-Komplexen«.  Wissenschaft muss zugleich (s.o.) Wertungen und Affekte der unmittelbaren Interessiertheit radikal suspendieren, zugleich schärfste, ätzendste, präziseste Waffe im Klassenkampf zu werden trachten, um ihrer ideellen Funktion in der Praxis emanzipatorisch kommunistisch zu genügen: es besteht also eine dialektische Identät des Identischen und Nichtidentischen von Ideologie und wissenschaftlichem Kommunismus. Eine »Entideologisierung«, »Wertfreiheit der Wissenschaft«, »reine«, nichtideologische Ideologiekritik usw. kann es nicht geben. Aber auch keine schlicht »falsche=bürgerliche« und »richtige=proletarische« Ideologie.  Auszugehen ist bei der Bewusstmachung von dieser Problematik ausdrücklich programmatisch von der Marxschen Bestimmung von Ideologie als den ideellen Formen im gesellschaftlichen Widerspruch und Klassenkampf,
»worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten.«(MEW 13:S.9 »Leitfaden zum Studium und der Kritik der politischen Ökonomie«)

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnitt Drittens das Verhältnis von Theorie und Praxis überhaupt und seiner Vermittlung in sich und nach aussen (innerhalb der kommunistischen Organisierungsform: als Wissenschaft vom Kommunismus, s.o.,  und als Arbeit dieser Organisation innerhalb der Klassen der Gesellschaft ausgehend vom Proletariat, um die erarbeitete Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate  des Ganzen dort überall zu verallgemeinern und zu konkretisieren, so  dass es in revolutionäre Praxis-Inhalte und -Formen umschlägt, sich in konkrete Veränderungen umsetzen kann). Erster und unbedingter Grundsatz: »Ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben.« (- so Lenin schon ganz richtig. »Was nicht heisst, dass das eine leninistische Theorie sein muss.« Paul Mattick)

Bisher war in der Geschichte der KommmunistInnen fast immer nur ein brutaler, unvermittelter Dualismus von »Theorie« (missverstanden als »die richtige Ideologie« oder als akademische Wissenschaft von Spezialisten, Kathedersozialisten etc., kurz: Ideologen einer »Weltanschauung« ) und »Praxis« (Pseudopraxis, kopflos, ökonomistisch, politizistisch, sektiererisch, reformistisch usw., da nicht mit revolutionärer wissenschaftlicher Theoriebildung vermittelt) am Werke.

Die wirkliche dialektische Dualität von Theorie/Praxis (Identität des Identischen und des Nichtidentischen beider) blieb in der Regel unbegriffen, weil auf Basis der großen alten gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Hand- und Kopfarbeit (verschmolzen mit der uralten Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern: dem Patriarchat, wo »der Mann« = Kopf/Haupt/Monopol auf Intellekt, Ratio, theoretischen Sinn usw. »verkörpern« soll, dagegen »die Frau« = Handarbeit/praktischen Verstand/Intuition/Emotio usw., in der bürgerlichen Moderne aber andererseits auch »der richtige Mann« kein »blutleerer Intellektueller«=Weibmann/Waschlappen/Waschweib/abgehobener Schwätzer/Wirrkopf/Traumtänzer/unpraktisch/Unorganisierter(=Kastrierter!)/Inaktiver usw. sein darf: entlang den psychischen Geschlechterrollenzuordnungen »männlich=phallisch=aktiv« und »weiblich=kastriert=passiv« -- von S.Freud zuerst wissenschaftlich und materialistisch-empirisch ans Licht gebracht, bis heute eine höchst unpopuläre Wahrheit, weil sie »ans Eingemachte« der Selbstbilder geht!) blind mitgeschleppt und unreflektiert in »linkes Politikverständnis« übersetzt ( - der »Links/Rechts«-Dualismus ist selber der »radikalste« bürgerlich-politische Ausdruck davon. »Realpolitik« ist genuin männerisch.

Es ist ganz folgerichtig, dass z.B. gerade eine Róza Luksenburg für die revolutionäre Linke stand und von den Schnauzbärten Ebert, Noske e.a. für die ganze Rechte geopfert und totgehetzt werden »musste«). Die wissenschaftlich-kommunistische Wahrnehmung und Aufhebungsarbeit dieser historisch überkommenen Dualität drückte sich bisher in dialektischen Begriffskombinationen aus, wie sie vor allem von G.Lukács (1970) gegen die Manipulationsideologie oder in den Formeln der Situationisten entwickelt worden sind: »theoretische Praxis = Praxis der Theorie« und »Praxistheorie«  sowie »Theorie der Praxis«:

»Die revolutionäre Organisation der proletarischen Epoche wird von den verschiedenen Momenten des Kampfs definiert, in dem sie, jedesmal, erfolgreich sein muss;  und sie muss auch, in jedem dieser Momente, darin erfolgreich sein, dass sie keine getrennte Macht wird. Man kann von ihr nicht sprechen, wenn man von den Kräften abstrahiert, die sie hier und jetzt einsetzt, oder von der umgekehrten Aktion ihrer Feinde. Jedesmal wenn sie zu handeln versteht, vereint sie die Praxis und die Theorie, die ständig auseinander hervorgehen; aber nie glaubt sie, das durch einfache voluntaristische Proklamation der Notwendigkeit ihrer totalen Fusion bewerkstelligen zu können.

Wenn die Revolution noch sehr weit entfernt ist, ist die schwierige Aufgabe der revolutionären Organisation vor allem die Praxis der Theorie. Wenn die Revolution beginnt, ist ihre schwierige Aufgabe, mehr und mehr, die Theorie der Praxis; dann aber hat die revolutionäre Organisation ein ganz anderes Gesicht. Dort [= in der Praxis der Theorie = theoretische Praxis der Organisation] sind nur wenige Individuen Avantgarde, und das müssen sie durch den Zusammenhang [= die Kohärenz] ihres Projekts beweisen und durch die Praxis, die es ihnen gestattet, es zu kennen und mitzuteilen; hier [= in der Theorie der Praxis = Praxistheorie = theoriegeleitete Praxis der Klasse-an-und-für-sich] gehen die Arbeitermassen mit ihrer Zeit, und sie müssen sich in ihr als ihre alleinigen Eigentümer behaupten, indem sie den Gebrauch der Totalität ihrer theoretischen und praktischen Waffen beherrschen, insbesondere dadurch, dass sie es ablehnen, irgendeine Macht an eine getrennte Avantgarde zu delegieren [in Richtung auf die generalisierte Selbstverwaltung].

Dort [= in der Phase der Praxis der Theorie / theoretischen Praxis] können zehn wirksame Leute für den Beginn der Selbst-Erklärung einer Epoche genügen, die in sich eine Revolution enthält, die sie noch nicht kennt und die ihr nirgends gegenwärtig und möglich erscheint;  hier [= in der Phase der Theorie der Praxis, d.h. »sobald die Theorie ... die Massen ergreift« und als Blitz des Gedankens die Waffe der Kritik in die Kritik der Waffen zu verwandeln beginnt MEW1: 385] muss die große Mehrheit der proletarischen Klasse alle Macht innehaben und ausüben, indem sie sich in Form von beschliessenden und ausführenden Versammlungen organisiert, die nirgends auch nur irgendetwas von der Form der alten Welt und den Kräften, die sie verteidigen, fortbestehen lassen.«
(Situationistische Internationale, Öffentliches Zirkular 1972: Thesen über die S.I. und ihre Zeit. These 47)

»Die Theorie der Revolution ist sicher nicht die alleinige Domäne wissenschaftlicher Kenntnisse im eigentlichen Sinn, und noch weniger hat sie es mit der Herstellung eines spekulativen Werks oder der Ästhetik der Brandrede zu tun, die sich in dem Schein ihrer Lyrik selbst beschaut und findet, dass es bereits wärmer ist. Diese Theorie hat effektive Existenz nur durch ihren praktischen Sieg: hier 'müssen die großen Gedanken große Wirkungen haben, sie müssen wie das Licht der Sonne sein, das erzeugt, was es bescheint.' [Hegel]  Die revolutionäre Theorie ist die Domäne der Gefahr, die Domäne der Ungewissheit; sie ist denen verwehrt, die die beruhigenden Gewissheiten der Ideologie wollen einschliesslich der offiziellen Gewissheit, standhafte Feinde jeder Ideologie zu sein. Die Revolution um die es geht ist eine Form menschlicher Beziehungen. Sie nimmt Teil an der sozialen Existenz. Sie ist ein Konflikt von universellen Interessen, die die Totalität der sozialen Praxis betreffen, und darin allein unterscheidet sie sich von den anderen Konflikten. Die Gesetze des Konflikts sind ihre Gesetze, der Krieg ist ihr Weg, und ihre Operationen lassen sich eher mit einer Kunst als mit einer [akademisch-fach-]wissenschaftlichen Untersuchung oder einer Bestandsaufnahme guter Absichten vergleichen. Die Theorie der Revolution wird nach diesem einzigen Kriterium beurteilt, dass ihr Wissen eine Macht werden muss.«
(These 46)

Soviel hier nur zur Anregung für die heute unabdingbare Grundsatzformulierung des Verhältnisses von wissenschaftlichem Kommunismus, Theorie/Praxis, Ideologie/Kritik und Organisierung/Proletariat.

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnitt Viertens gilt es sich grundsätzlich klarzumachen, dass und wie die wissenschaftliche Umsetzung von Theorie (eben als wissenschaftlicher Kommunismus theoriepraktisch betrieben, organisiert) in praktische Organisierung (d.h. in eine Form der revolutionären Organisation, die ins direkt-praktische, ökonomische, politische, kulturelle Alltagshandeln, ins tagespolitische Handgemenge intervenieren, dieses »aufmischen«, revolutionär durchkreuzen, »umfunktionieren« kann, ohne selber »kretinistisch« darin aufgezehrt zu werden) ohne die bewusste Entwicklung revolutionärer »Kriegskunst« nicht zurechtkommen, nicht überleben kann: d.h. dass sie im Klassenkampf, Klassenkrieg in eine zeitgemäße Dialektik der Kriegskunst, also in die Bestimmung von Strategie und Taktik hinein konkretisiert werden muss.

Ohne strategische und zuletzt auch taktische Vereinheitlichung rennt man/frau praktisch nur immer wieder ziellos und nebulös auf der Straße herum, drückt den Leuten irgendwelche hastig verfassten oder mühselig ausgeklügelten Statements in die Hand, gibt seinen Senf als NachtrabpolitikerInnen irgendeiner weiteren Sekte dazu , lässt sich auf Versammlungen, »in Betrieb und Gewerkschaft«, in den notwendigen »Zusammenschlüssen« der linken Scenes herummobben oder pöbelt selber defensiv ein bisschen dagegen und wehrt sich so gut es geht, um die elementaren Zusammenschlüsse nicht auch noch zu gefährden in ihrer selbstzerstörerischen (klein)bürgerlichen Eigendynamik, die aber trotzdem ihren Lauf nimmt usw. usf. Vor allem kann man so nie theoriestrategisch und kommunikationsstrategisch die neuralgischen Punkte in der proletarischen »Öffentlichkeit« treffen, schießt unendlich viele Pfeile ins Leere, bleibt Anhängsel, »arme Verwandte« der bürgerlichen/kleinbürgerlich-demokratischen Linken und wird unsagbar müde und aufgerieben dabei (wir leben nur einmal).

Die organisatorische Regel dieser Kopflosigkeit und Pseudopraxis üblicher nichtwissenschaftlicher »Organisierter« wurde von den Maoisten auf die klassische Formel der alten chinesischen Spruchweisheit gebracht : »Solange einer Mönch ist, läutet er die Glocke.« Dieser herkömmliche bürgerlich-politische Stumpfsinn sich für »die Organisation« und »die Sache« blind opfernder und einander hierarchisch »verheizender« idealistischer KommunistInnen muss vorab in einer zeitgemäßen, lernfähigen programmatischen Organisierungserklärung benannt und plausibel ausgeschlossen werden; »Vernetzung« des Stumpfsinns und Absichtserklärungen, dass man »keine Apparate« mehr möchte, helfen da nicht.

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnittDie wichtigsten Anhaltspunkte:

Der (von Marx, Engels, Lenin, Trotsky, Mao, Debord und anderen listig-wissenschaftlich-kommunistischen Taktikern studierte und genutzte) Dialektiker der Kriegskunst im bürgerlichen Zeitalter, Clausewitz, bringt die klassische strategische Theorie auf den entscheidenden »Begriff, dass der Krieg nur ein Teil des politischen Verkehrs sei, also durchaus nichts Selbständiges. (...) Er hat freilich seine eigene Grammatik, aber nicht seine eigene Logik.«  Das ist einigermaßen bekannt. Die aus dieser historisch-materialistischen Bestimmung entwickelte Unterscheidung von Strategie und Taktik weniger: »Die Taktik sei der Gebrauch der Kräfte im Gefecht, um darin den Sieg zu erringen; die Strategie der Gebrauch der Siege, um die Kriegsziele zu erreichen.«

Hans Jürgen Krahl machte Ende der 1960er Jahre die GenossInnen, die damals zum ersten und letzten Mal in BRD eine revolutionäre Organisationsdebatte führten (statt dann wenig später »den Marsch durch die Institutionen« anzutreten, der die meisten von denen in die Stellungen der Bourgeoisie als Nachrücker führen sollte  -  Lehrbeispiel für die theoriefeindlichen und strategieblinden politikasternden linken TaktizistInnen von heute) darauf aufmerksam, dass die Strategie das organisationsnächste Moment der Theorie ist. Man könnte sagen: ohne revolutionäre Strategie kann es keine revolutionäre Organisation geben, und entsprechend auch kein Überleben der Revolutionäre in der politischen Taktik, soviel auch immer von »linker Politik« gefaselt wird.

Lukács zeigt in seinem Hauptwerk (Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins. 1970) sorgfältig, dass »der ideologische Praxiskomplex des Politischen« im gesellschaftlichen Sein des Kapitalismus einerseits zwar garnicht »theoriefähig« ist, weil er so allgegenwärtig alle anderen Komplexe und Sphären der modernen Gesellschaft, das ganze Alltagsleben durchdringt und derartig augenblicks-, zufalls-abhängig und kontingent ist, dass er sich kaum  je zu einer homogenisierenden Verallgemeinerung als Theorie-vom-Politischen eignet; er zeigt zugleich, dass die Politik gerade deshalb das Gebiet der Taktik ist, in der nur Flexibilität aufgrund von weitsichtiger Ziel- und Zweckbestimmung davor feit, im Handgemenge (Gefecht) oder Kretinismus (Politikantentum) unterzugehen. (Sein Lehrbeispiel ist Lenin als »revolutionärer Realpolitiker« mit »seinem« idealtypischen Organisationsmodell »Partei neuen Typs«.

Hier mag es allerdings nach wie vor Diskussionsbedarf geben ...) Aber er zeigt auch, dass sich zwar Strategie nur aus Theorie ableiten, konkretisieren lässt, also ohne wissenschaftlichen Kommunismus es auch keine revolutionäre Strategie geben kann! Jedoch auf der anderen Seite kann niemals Taktik aus der Strategie direkt abgeleitet werden, somit auch nicht aus irgendeiner noch so ausgefeilt konkretisierenden Theorie selbst! »Die Wirklichkeit ist immer schlauer«, wie Lenin gern zu sagen pflegte (Hegel pur). Das aber enthebt die TaktikerInnen im Handgemenge der Tagespolitik keinen Augenblick der Einbindung, Rückbindung, Verbindlichkeit zur Strategie und Theorie, denn ohne diese werden sie zu Taktizisten und Pragmatikern, sonst nichts. Sie saufen dann darin unweigerlich ab »wie die Fliege in der Milch«, wie Lenin zuletzt richtig den Bolsheviki prophezeit hat.

Die ungeheure Gefahr,  die der alte Lukács gerade deutlich machen will, ist die der unmerklichen Umkehrung: von revolutionärer Realpolitik  - die immer noch wissenschaftlich-theoretisch und strategisch ausgerichtet ihre Taktik wählt, prüft, neubestimmt,  -   in reformistische oder putschistische - kurz: opportunistische - Politik, die Strategie und Theorie zu bloßen Anhängseln, Verkleidungen, pragmatischen Ableitungen und Überhöhungen der jeweiligen »willkürlichen« Taktik zurechtbiegt und hinmanipuliert (wobei die jeweilige taktische Entscheidung in der konkreten Situation hin und wieder sogar oft richtig liegen mag, aber es bleibt eben Manager-Manipulationspragmatismus mit aller Kurzsichtigkeit, Verblendung und entsprechenden mittel- und  langfristigen fatalen chain-reactions  -  wie sie die »kommunistische Weltbewegung« des letzten Jahrhunderts halt mehrfach in die Niederlage geführt haben), die damit eben zum prinzipienlosen Taktizismus wird.

So wird aber auch die revolutionäre Organisation zum bloßen Instrument und Apparat der Despotie der Politik, der »Berufspolitiker« (»Berufsrevolutionäre«), zum Spielball der pragmatischen Tagesentscheidungen einer Führung, die sich einer linken Pseudotheorie und Pseudostrategie als apologetische Ideologeme ihrer taktischen ad-hoc-Entscheidungen bedient, wie umgekehrt zugleich die beliebig manipulierende »Taktik« sich durch die Not und Notwendigkeiten »der Sachzwänge«einer verselbständigten Pseudopraxis legitimiert, da »die Praxis« und »die Taktik« scheinbar »alles erlaubt« - immer »im Dienste der Weltrevolution«, versteht sich (geschlossene »wissenschaftliche Weltanschauung« für den hermetischen Kosmos einer »kommunistischen« Lagermentalität, die alles erklärt und nichts versteht).  Es ist das Lehrstück des Stalinismus, aber natürlich auch schon der Zweiten Internationalen, das Lukács hier anmahnt. Es ist überhaupt die Sackgasse jedes »Marx«-Ismus, auch des nichtleninistischen, der Lenins Orthodoxie (»Der Marxismus ist allmächtig, weil er wahr ist.«) teilt und damit unweigerlich die Wiederkehr des immergleichen politischen Fiaskos in der Realpolitik organisiert.

Guy Debord stellte in seinen »Kommentaren zur 'Gesellschaft des Spektakels' » (1988) fest, dass die ab Ende des 20.Jahrhunderts Herrschenden weniger denn je zu einer echten Strategie sondern nurmehr zur Konzeption des Taktizismus der Eventualitäten (gegenwärtig: der präventiven Konterrevolution; Thesen 28-30: Taktik der »Drei Kulturen« ab Mexiko Sommer 1968) fähig sind, weil sie, d. h. ihre Behemoth-artigen Krisenstäbe, »Dienste«, schnellen Eingreifkontingente und »spezifischen Organisationen«, die heute den »geschäftsführenden Ausschuss der Bourgeoisie« bilden, eines nicht können, nicht beherrschen und (von ihrem Klasseninteresse und Klassenblickwinkel her:) garnicht dürfen: dialektisch, also historisch denken (These 7). Zumal die vollends totalitär gewordene spektakuläre Warenproduktion zertrümmert und verunmöglicht strukturell jegliches historisch-materialistische und dialektische, ja im Ansatz schon logische Denkvermögen: »Der spektakuläre Diskurs (...) trennt von dem, was er zeigt, immer die Umgebung, die Vergangenheit, die Absicht, die Konsequenzen. Er ist folglich völlig unlogisch.

Da dem Spektakel niemand mehr widersprechen kann, hat es das Recht, sich selbst zu widersprechen, seine Vergangenheit zu berichtigen. Die hochmütige Haltung seiner Lakaien, (...) die binäre Sprache des Computers (...)'Man muss wählen. Was das eine ist, kann nicht das andere sein.' (...) während sie immer mehr das Lesen ignorieren, das ein wahres Beurteilen aller Zeilen erfordert und das allein zur weiten vorspektakulären menschlichen Erfahrung Zugang gewähren kann. Denn das Gespräch ist beinahe tot, (...) und die Logik hat sich nur im Dialog sozial herausgebildet. Schliesslich ist die Logik nicht einfach, und niemand hat gewünscht, sie ihnen beizubringen. (...) Diese Trägheit des Zuschauers ist auch die jedes intellektuellen Kaders, des schnell ausgebildeten Spezialisten, der in allen Fällen versuchen wird, die engen Grenzen seiner Kenntnisse durch die dogmatische Wiederholung irgendeines Arguments der unlogischen Autorität zu verbergen. (...) [Die rechten und linken »Eliten« hingegen zwar] haben sich verschiedene Verpflichtungen auferlegt, die Logik zu beherrschen, und zwar bis hin zur Strategie, die sehr exakt das gesamte Feld der Entfaltung der dialektischen Logik der Konflikte ist;  während sie (...) sogar ohne die einfache Fähigkeit sind, sich nach den alten, unvollkommenen Instrumenten der formalen Logik zu richten. Im Hinblick auf sie [=d.h. auch die »radikalen« linken Führungskräfte und Ambitionierten der »Subversion« und  »Revolte«] zweifelt man nicht daran; während man im Hinblick auf die anderen kaum daran denkt. (...): die komplette Unfähigkeit trifft auf eine andere, vergleichbare Unfähigkeit; sie werden kopflos, und es geht um die Wette, welche sich vor der anderen auf die Flucht begibt..« (Thesen10-12)  Ohne Dialektik also keine Strategie; und das wäre der letztendliche Grund, warum das nach-'68er Proletariat (»im integrierten Spektakulären«=Kapitalismus der Gegenwart, wie der späte Situationist ihn analytisch nennt:Thesen 4und5) trotz seines vollständigen historisch vorübergehenden »Zerstreutseins« und aus dieser perfekt erscheinenden Atomisierung, Konfusion, Anpassung und Nichtigkeit heraus doch die reale und mentale Möglichkeit zu revolutionärer Strategie wiedererlangen kann. Schon 1967 hat ja »Die Gesellschaft die Spektakels« die revolutionäre Organisation als den Ort und das Organ für »die Dialektik lernenden Arbeiter[innen]«, die wieder richtiggehend zusammen lesen lernen (angefangen mit Büchern wie »Das Kapital«) und an jedem Ort »den bewaffneten Dialog« herzustellen beginnen können, definiert.

»Die revolutionäre Organisation kann nur die einheitliche Kritik der Gesellschaft sein, d. h. eine Kritik, die an keinem Punkt der Welt mit irgendeiner Form von getrennter Macht paktiert, und eine Kritik, die global gegen alle Aspekte des entfremdeten gesellschaftlichen Lebens ausgesprochen wird. In dem Kampf der revolutionären Organisation gegen die Klassengesellschaft sind die Waffen nichts anderes als das Wesen der Kämpfer[innen] selbst: die revolutionäre Organisation kann in sich nicht die Bedingungen der Entzweiung und der Hierarchie wieder erzeugen, die die Bedingungen der herrschenden Gesellschaft sind. Sie muss fortwährend gegen ihre Entstellung im herrschenden Spektakel kämpfen. Die einzige Grenze der Teilnahme an der totalen Demokratie der revolutionären Organisation ist die Anerkennung und die tatsächliche Selbstaneignung der Kohärenz ihrer Kritik durch alle ihre Mitglieder, einer Kohärenz, die sich in der eigentlichen kritischen Theorie und in der Beziehung zur praktischen Tätigkeit bewähren muss.

Da die auf allen Ebenen immer weitergetriebene Verwirklichung der kapitalistischen Entfremdung es den Arbeiter[inne]n immer schwieriger macht, ihr eigenes Elend zu erkennen und zu benennen, und sie dadurch vor die Alternative stellt, entweder ihr ganzes Elend oder nichts abzulehnen, hat die revolutionäre Organisation lernen müssen, dass sie die Entfremdung nicht mehr in entfremdeten Formen bekämpfen kann.

Die proletarische Revolution hängt ganz und gar von dieser Notwendigkeit ab, dass die Massen zum ersten mal die Theorie als Verständnis der menschlichen Praxis anerkennen und erleben müssen. Sie fordert, dass die Arbeiter[innen] zu Dialektiker[innen] werden und dass sie der Praxis ihr Denken aufprägen (...)« (Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels. Thesen 121-123) 

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnittDie kritischen Anmerkungen zu den übrigen Thesen folgen vorerst nur in Stichworten:

ad 2.1:

Leerstelle: die Eigentumsfrage! (MEW 4: KM Der entscheidende Gesichtspunkt für die Kommunisten in allen Fragen!) Es geht um das private Klasseneigentum an den gesellschaftlichen Produktions- und Lebensbedingungen.
Somit doppelte fetischistische Verblendung aufzuzeigen/ aufzulösen:  Warenproduktion einerseits, Privatproduktion andererseits  - als zwei wechselseitige Bedingungen für den realen verkehrten Schein (Religion des Alltagslebens MEW 25) zu benennen, in reale Alternativen kommunistischer Produktion und Verteilung konkret aufheben (Transparenz des »Werkeltagslebens« MEW 23)!

ad 2.2:

»uns als Teil der Arbeiterklasse organisieren«? Vorsicht!: genauer als »Element« kommunistischer Einsicht in ... den Gang und die Resultate ... (MEW 4);  zwar richtig: die Bewegung nicht modeln, aber: kommunistische Proletarität als Resultat eines gesamtgesellschaftlichen Auflösungsprozesses sämtlicher Klassen ins Proletariat.

Proletariat als »pool« für diese Proletarisierung der ganzen Welt, als objektiver Prozess der Negation (Expropriation und Entfremdung), »die negative Seite der bestehenden Gesellschaft«, »die destruktive Partei« (MEW 2); und  wenn's gut geht: schliesslich als Subjekt der Negation der Negation (Expropriation der Expropriateurs) aufzufassen, kein »fester Standort«, weder archimedischer Punkt noch Weltanschauungspartei (dies noch zu These 1, Schluss ).

Beförderung der Klassenkämpfe von der Klasse an sich zur Klasse an und für sich  -- nicht »Standpunkt«, auch nicht »Klassenorientierung« die die Kommunisten hätten auf die Klasse wie sie geht und steht! Sondern sie geben der Klasse als Subjekt bewusste Orientierung auf ihre Selbstaufhebung hin!

ad 3:

»den gegenwärtigen tiefgreifenden Modernisierungsprozess« des Kapitalismus, als einen erneuten, schon etwas konkreter beschreiben! Qualitativ bestimmen! Besonderheit, statt wie hier Allgemeinheit!
Dagegen streichen: die Einschätzung »mehrere Jahrzehnte ... »
»schon lange nicht mehr: 'in die Betriebe gehen' »: nicht Tugend aus Not machen! sondern: was heisst heute Betrieb.
Neue Formen der Hierarchie (»flache«, teams); allgemeingesellschaftlich wie in den Betrieben: Art »Klasseninterferenz« tendenziell und realer Schein.

Erste, größte Produktivkraft (MEW 4, 181) und Masse Bildungselemente ...
Neuzusammensetzung der Klasse heisst sichtbarlich: »Die Arbeiterklasse ist revolutionär oder sie ist nichts.« (MEW 31:446)
Kompliziertestes Problem der »Reife«: Subjekt/Objekt-Frage (Wie ist die Arbeiterklasse als »die größte Produktivkraft« psychomental drauf?! Übergangsmöglichkeit von der kapitalistischen gleichermaßen »freiwilligen und gezwungenen Assoziation« zur frei vereinbarten planmäßig-kommunistischen Assoziation selbstbestimmter ProduzentInnen endlich möglich unter welchen konkreten Bedingungen heute genau?; »diese Fragen über das System der Bedürfnisse und das System der Arbeiten«(Marx: »Grundrisse...« S.960,426)
Parteibildungsprozess: nachhaltige Überwindung der Konkurrenz oder nicht, Koalitionen, Assoziation oder nicht
Org.-Folgerungen: nicht bloß »netzwerkförmig«, sondern auch Aufhebung der »Partei Neuen Typs«! kein postmodernes patchwork, sondern Richtung auf »Armee des Proletariats« aussprechen (MEW17:432f)!

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnittad 4:

Abgleiten ins Anarchistoide: wenn geleugnet wird, dass es sehr wohl genau darum geht, dass das Proletariat mit allen vernünftigen Menschen aus den anderen Klassenschichtungen dieser Gesellschaft, die es für den Kommunismus gewinnen und heranziehen kann, die politische und totale gesellschaftliche Macht erobern muss, wenn es jemals seine Proletarität (Lohnsklaverei, Warenform der Arbeitskraft und Warenproduktion überhaupt, Privatproduktion überhaupt) und damit alle Klassenspaltung und Klassenherrschaft in der Gesellschaft real aufheben möchte!! Hier wird doch wieder mal »das Wörtchen« (Kautsky) von der revolutionären Diktatur des Proletariats »vergessen«, so viel auch von »politisierten Menschen«, »politischer Reflexion« und »politischer Position« geredet wird: gerade diese Diktatur ist die unabdingbare, not-wendige, entscheidende politische Übergangsperiode zum wirklichen Kommunismus, die einzige, unter ungeheuren blutigen Opfern endlich entdeckte politische Form, unter der die Befreiung der Arbeiterklasse selbsttätig durchgesetzt werden kann: durch die unumschränkte, ungeteilte Macht des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters, der sie mit Willen und Bewusstsein planmäßig ökonomisch-emanzipatorisch einsetzt, ausgehend von der restlosen Vollendung der direkten Demokratie, also durchaus noch Staatlichkeit, aber schon als Kommuneverfassung, im Akt der Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft selbst, im Akt der Zerschlagung des Gewaltmonopols Staat, ist dieses neue, letzte Gewaltmonopol Diktatur des Proletariats »schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr«, sondern schon nicht-staatliches Gemeinwesen, gerade weil es auf allgemeiner Bewaffnung der ProletarierInnen beruht, sonst können wir den Sozialismus wirklich vergessen.

Das Problematische und Kritische ist nicht »die Macht«  - jegliche kommunistische Assoziation und Vernetzung muss von vornherein der wissenschaftlichen Erkenntnis und illusionslosen Perspektive entsprechend ihr Quentchen beitragen dazu, »die Macht zu übernehmen« durchs Proletariat, das fängt genau damit an, der realistischen elementaren Einsicht Rechnung zu tragen, dass Wissen = Macht ist !  -,  sondern das Dauerproblem ist die Trennung der Gewaltmittel und Gewaltapparate von der antistaatlichen Diktatur des Proletariats (historisch z.B..: der Staatsmacht »der Partei« von den Räten, durch Geheimpolizei und Kaderakten etc.etc.) die Trennung der Machtinstrumente von der Klasse die diese für ihre Emanzipation braucht, durch das, was hier »Kaderbildung« genannt wird, was hier gut anarchistisch-autonom als »die revolutionäre Gruppe« mystisch-unbestimmt bleibt, durch »das Maß an Organisiertheit« nur noch weiter verdunkelt und mystifiziert wird (Maß ist eine quantitative Bestimmung, keine Qualität, auf die es aber gerade ankommt: getretener Quark wird breit, nicht stark).

Das ist schon die Sprache des Bakuninismus, da muss tatsächlich noch beteuert werden, dass »wir« nicht »bessere Menschen« sind, weil das Kriterium woran sich diese »wir«-Gruppen »ohne Leitung« als kleine Minderheit in der Klasse vom Rest der Klasse unterscheiden, völlig im Dunkeln gehalten wird: denn da es nicht die Erarbeitung, Ausbildung und Vermittlung des wissenschaftlichen Kommunismus ist, der sich klar ausweist als Methode, die zu erlernen ist, sondern einerseits dieser schon fertig da zu sein scheint und mit »dem elementaren Klassenbewusstsein«, was immer das sei, das also auch schon vorhanden sein soll, zu »verbinden« und ein »Zusammentragen ihrer je verschiedenen Erfahrungen« und »Katalysator«-Funktionen für die »gärende Hefe im Teig« (wohl zum Kneten und Aufblähen der Massen?) sein soll, werden »bestimmte theoretische Schlussfolgerungen« ebenso wie »eine revolutionäre Grundlage«, auf der zu arbeiten sie = diese Folgerungen, also Ableitungen!! woraus? aus welcher Grundlage ihrerseits bitte ?!: »aus unserer Situation«- verstehe wer will!  - uns auch schon politisch »befähigen« sollen, (das Politische ist nichts anderes als die Domäne der Machtkämpfe, deswegen kommen wir ja auch nicht daran vorbei!) noch geheimnisvoller gehalten.

Also »die Macht der Ohnmächtigen« verewigen oder was? Wirklich sehr ergreifend. Die Erfahrungen, die da ausgetauscht werden, sollen also in der Machtlosigkeit bleiben,  so wie »bestimmte theoretische Schlussfolgerungen« , die wir gern mal wissen würden, zwar solche »Politik« revolutionär begründen, aber diese Grundlagen für revolutionäre Fähigkeiten nicht offenlegen, weil wir nicht so tun dürfen, als würden wir »alles besser wissen«. Also haben es diese »autonomen Kommunisten« doch in den Genen, wie alle anderen Autonomen ? Was, bitte, heisst hier noch Organisierung, was programmatisch ? Müssen die KommunistInnen daraus heute wieder mal ein Hehl machen, weil man aufgrund der Neuzusammensetzung zur Zeit in kleine bakuninistische Geheimklüngel abtaucht wie der Rest der Autonomen? Unterirdische Vernetzung, klandestine Beratung »unserer Situation«? Da holen wir uns doch besser die programmatischen Grundzüge proletarischer Selbstorganisierung  klar und klassisch ausgesprochen, aufgrund der theoretischen und politischen Verallgemeinerung der blutigen historischen Erfahrungen der Klassenkämpfe, bei Marx (Rede über die geheimen Gesellschaften in der Sitzung der Internationalen Arbeiterassoziation 22.9.1871):

»Im übrigen steht dieser Organisationstyp im Widerspruch zu der Entwicklung der proletarischen Bewegung, weil diese Gesellschaften, statt die Arbeiter zu erziehen, sie autoritären und mystischen Gesetzen unterwerfen, die ihre Selbständigkeit behindern und ihr Bewusstsein in eine falsche Richtung lenken.«  (Rede 25.9.1871:) »Und darüber könne es nicht zwei Meinungen geben - die Kommune war die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Über die Kommune habe es viele Missverständnisse gegeben. Sie könne zu keiner neuen Form der Klassenherrschaft führen. (...) durch die Übergabe der Produktionsmittel an die produzierenden Arbeiter (...) werde auch die einzige Basis der Klassenherrschaft und der Unterdrückung beseitigt. Aber bevor eine solche Veränderung vollzogen werden könne, sei eine Diktatur des Proletariats notwendig, und ihre erste Voraussetzung sei eine Armee des Proletariats. Die arbeitenden Klassen müssten sich das Recht auf ihre Emanzipation auf dem Schlachtfeld erkämpfen. Aufgabe der Internationale sei es, die Kräfte der Arbeiter für den kommenden Kampf zu organisieren und zu vereinen.« (MEW 17:655, 433)

Alle kommunistisch-proletarische Vernetzung kann tunlichst nur den Zweck im Auge haben, endlich an diese Machtentfaltung heranzukommen, Elemente für ihre Durchsetzung zu entwickeln, um möglichst bald mit dem kommunistischen Wiederaufbau der vom Kapitalismus zerstörten, geschundenen Welt zu beginnen. Nach weiteren fast hundert Jahren blutigster Erfahrungen mit proletarischer Ohnmacht und Stummheit, nach jenen eindeutigen Lehren der Pariser Commune, formulierten 1967 die Situationisten (1 Jahr vor dem Ausbruch der Bewegung der proletarischen Fabrikbesetzungen in Frankreich) erneut und noch einmal moderner die Machtansprüche der revolutionären Diktatur des Proletariats mit seiner Organisation der »generalisierten Selbstverwaltung« der ganzen urbanen und globalen Gesellschaft:

»Es ist die Entscheidung, den Raum nach den Bedürfnissen der Macht der Arbeiterräte, der anti-staatlichen Diktatur des Proletariats, des vollstreckbaren Dialogs vollständig wiederaufzubauen. Und die Macht der Räte, die nur wirklich sein kann, wenn sie die Totalität der bestehenden Bedingungen verändert, wird sich, wenn sie anerkannt werden will und in ihrer Welt sich selbst erkennen will, keine geringere Aufgabe stellen können.« (»Die Gesellschaft des Spektakels« These 179)

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnittad 5:

gut: gegen Repräsentationismus. Aber sogleich: keine Vor-, Nach-, Nebenordnung von Theorie gegenüber »Praxis« dulden, wenn gesagt wird, »Selbstorganisation der ArbeiterInnen ist Voraussetzung für die Vertiefung und Verbreiterung von Klassenbewusstsein«.

ad 6:

Zur nichtentfremdeten Arbeit emanzipieren!  Nicht durch Abschaffung von Markt=Zirkulationssphäre/Austausch (allein und als archimedischer Punkt, wie hier suggeriert,) sondern des privaten Klasseneigentums an den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen. Gesellschaftliche, individuell assoziierte Arbeit: das ist nicht dasselbe wie »gemeinschaftliche«, die immer Krähwinkelei im Schilde führt. Es geht nicht darum, »Befreiung der Arbeit« als Gemeinschaftsidee »zu denken«, sondern die notwendigen gesellschaftlichen Arbeiten, auch unangenehme, planmäßig-proportionell als wissenschaftlich-technologische Minimierung der Arbeitszeit unmittelbarer ProduzentInnen  - als erst eigentlich kommunistisch rationell mögliche »wirkliche Ökonomie der Zeit« (Marx:«Grundrisse...«:S.974) - zu erledigen, um so durch schleunigste Minimierung des »Reichs der Notwendigkeit« im Weltmaßstab disponible Zeit freizusetzen fürs »Reich der Freiheit«, sprich: Entfaltungsmöglichkeit des gesellschaftlichen Individuums, dessen »power« (Marx), sich selber Zweck werden kann. (Marx: »Grundrisse ...« (1953) S. 589...595f...600; MEW 25:827f)

Den »Arbeitsabschaffungs«-Utopisten sollten wir historischen MaterialistInnen den Wind aus den Segeln nehmen, indem wir mit Marx die kommunistisch erst zur Geltung zu bringende Tendenz aufzeigen und hervorheben, dass Arbeit wie wir sie heute kennen in der Tat verschwinden, sich aufheben, verwandeln muss und kann in etwas anderes, ihr anderes, das gleichwohl auch kein »Spiel« sein kann; sondern travail attractif auf high-tech-Niveau (» nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden« (MEW 19:S.21) - -  diese Perspektive gilt es mit dem jetzigen Betrieb von kapitalistischem Stumpfsinn, »Spass«-Krampf und stinkender Langeweile (travail répulsif) zu kontrastieren, um sich davon abzustoßen hin zur Verführungskraft einer kommunistischen Produktionsweise als Lebensweise...: »Es wird sich dann zeigen, dass die Welt  schon längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen (... ) Es wird sich zeigen, dass die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewusstsein ihre alte Arbeit zustande bringt.« MEW 1:346 Dann braucht nicht hier und jetzt so viel von »egalitär« und »gemeinschaftlichem Gebrauchswert-Nutzen« abstrakt gekitscht zu werden !!)

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnittad 7:

Antisemitismus-Komplex: entspringt nicht nur oder vor allem bloß in der Zirkulationssphäre, sondern gerade auch in der kapitalistischen Produktion, entfremdeten und ausgebeuteten Arbeit, was schon »Das Kapital« grundlegend und unausgeschöpft aufzeigt!  Dies vertiefen hier gegenüber der hilflosen, bürgerlichen und philosemitischen »Kritik« des Antisemitismus!  Die »Überdeterminiertheit« zur Geltung bringen von antisemitischer Ranküne/Revolte gegen »Geldmensch«/ »Shylock«-Kapitalist/ »Shylock«-Proletarier, Proletariat, Proletarisierung / Staatlichkeit, Recht, Politik / Schizophrenie homme bourgeois - homme citoyen  usw. und betonen, dass es notwendige und dann aber erst noch einen ganzen Komplex hinreichender Bedingungen für manifesten Antisemitismus gibt, was den latenten ja nicht beschönigt, aber aus der philosemitischen moralisierenden Kritik und denunziatorischen Umstülpung heraushelfen kann.

(Es ist das Lieblingsspiel »anti«-deutscher Denunziations-SpezialistInnen, alle und jede einzelnen Elemente des Antisemitismus, die zum bürgerlichen Alltagsbewusstsein gehören, schon als manifesten und eliminatorischen zu »behandeln«, d.h. nicht wirklich zu behandeln, sondern stattdessen konstruktivistisch zu moralisieren (»Pfui: hier haben wir ja wieder strukturellen Antisemitismus !!« -- z.B. wenn ein Marx ökonomiekritisch von »parasitären« Ausformungen am Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion spricht (MEW 25, 454) oder vom »Shylock«, »Geldmenschen«, »Moloch« und »Vampir« ...: d.h. Vorstellungen benennt, die kein »bloßes Konstrukt« des »ewigen Antisemiten« sind, sondern als Komponente der fetischistischen »Alltagsreligion« aus der kapitalistischen Produktionsweise und den Affekten gegen ihre Erscheinungsformen entspringen und modernen Antisemitismus gerade hervortreiben, wie ihn überhaupt erst materialistisch erklärbar und historisch auflösbar machen!), um sich »radikal« philosemitistisch bürgerlich-antifaschistisch auf der vermeintlich sicheren Seite zu positionieren (mit der »Radikalität« des butcher-Harris, der man gerne würde).   Den KommunistInnen geht es um echte, radikale, historisch-materialistische, weil wirksame AS-Kritik, warum? Nicht zuletzt deswegen, weil bürgerlicher Anti-Antisemitismus, der »Juden« und »Bürgertum« ausschliesslich philosemitistisch identifiziert, im »Judentum« (Geldmenschen usw.) bedingungslos nichts als den Bürger und die unüberschreitbare bürgerliche Zivilisation festhalten will (das schlägt auch immer wieder in Antisemitismus um, wo das Bild vom »Judentum« sich von selbst von der kapitalistischen Identifizierung löst und mit dem Weltproletariat, mit der kommunistischen Subversion und Revolution verbindet), weil dieser »am Judentum« positiv oder negativ festgemachte Rigorismus für »den Bürger« notwendig antikommunistisch ist (das wird bei den antitotalitären Reemtsma e tutti quanti jeden Tag deutlicher), sich als dessen eigentlicher Sinn offenbart (Was liegt den zivilgesellschaftlichen pro-Israel-Bellizisten denn schon an den jüdischen Menschen dort, ebensowenig wie an den palästinensischen, arabischen oder an irgendwelchen Proleten.

Diese linken frustrierten NachrückerInnen des Bürgertums haben mit ihrer unglaublichen bestialischen Losung bewusst und zynisch und gutdeutsch vor zehn Jahren schon den Rubikon zur bürgerlichen Unmenschlichkeit überschritten, d.h. sie hinterschreiten in ihrem umgestülpten furor teutonicus das unbedingte revolutionäre Ausgangspostulat ab Marx, »dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei«, den von ihm gerade als Kriegserklärung gegen die deutschen Zustände und die deutsche Mentalität gerichteten »kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« (MEW 1:385) ...)    Der  gefährlichen politischen pro-bürgerlichen Zwickmühle (»Jude« = Bürger, also kein Wort gegen die bürgerliche Gesellschaft mehr! - so die Logik der »anti«-deutschen Rhetorik und philosemitischen, Israel-apologetischen Denkfigur) können gerade und eigentlich nur die KommunistInnen entgehen, was aber unbedingt bewusste Strategie- und Taktik-Unterscheidung (bewusstes Auseinanderhalten und Vermitteln beider) gegenüber antisemitischem und philosemitischem Pol der »öffentlichen Meinung« und verdruckstem Ressentiment beider Lagermentalitäten erfordert!  U.a. kommt es darauf an, die »Logik« auszuhebeln, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist  - was fürs Proletariat auch in BRD nicht gelten kann, aber taktische Haltung zu Israel damit noch lange nicht erledigt! Gegen philosemitisch-prozionistische Denunziationsfigur »anti«-Deutscher  Exlinker sind wir KommunistInnen die einzigen, die ihnen historisch-materialistisch den Wind aus den Segeln nehmen können, nämlich konsequent mit Marx: »Krieg den deutschen Zuständen!«

Nur dadurch kann aufs revol. Proletariat hier in BRD gesetzt werden - dessen entschiedenstes, bewusstestes internationalistisches Element wir sind ! -, von dem die »anti«-deutsche Moderichtung genau weg will, weil sie ihren Frieden mit dem Kapital und Staat macht, gerade auch in BRD, um die Proletarisierten als StaatsbürgerInnen auf die Seite einer ganz miesen Neuauflage von »Volksfront« stalinistisch-demokratisch-imperialistischer Zivilgesellschafts-frontline entlang suprastaatlicher Allianzen zu totalmobilisieren.

Basis für jede Kritik des »anti«-deutschen Strebertums ist für die KommunistInnen allererst der Kampf gegen jegliches auch linksverdruckstes antisemitisch-antiisraelisches (»antizionistisch-antiimperialistisch«-antiamerikanistisches) Ressentiment in BRD: d.h. für uns allergrößte Sensibilität, Umsicht, Dosierung und gegebenfalls jeweils eher erstmal Suspendierung richtiger Kritik an Israel/Zionismus ! Absolut und jederzeit der Falle des »Antisemitismus-Streits« aus dem Wege gehen (d.h.: bei jeglicher richtigen Kritik etwa am Staat Israel, an Regierungsexponenten und ihrer Kriegspolitik niemals »in den Rahmen fallen« zu sagen: »Wenn ich diese Wahrheit/Tatsache/Kritik jetzt endlich einmal auszusprechen wage, dann wird mir ja sicher sofort der AS-Vorwurf gemacht, aber man muss es ja mal sagen: (...) Ja wenn darauf jetzt tatsächlich so reagiert wird, dann brauchen sie sich nicht zu wundern!«  - Schon ist man verloren im »Antisemitismus-Streit«. Dieses setting ist ein genuin antisemitisches, das aber von den »anti«-Deutschen mit Vorliebe  und Geschick genüsslich für alle arrangiert wird, die ihnen nicht in den Kram passen, d.h. alle ausser ihnen selbst, vor allem aber für MarxistInnen.

Sie halten Marx für den Erz-Antisemiten des »jüdischen Selbsthasses«, der ihnen das Problem mit der proletarischen Revolution eingebrockt hat, ihrer geilen Brunst zur bürgerlichen Gesellschaft ein schlechtes Gewissen macht und durch seine materialistische Kritik der moralisierenden Kritik sowie den materialistischen Arbeits- und Wertbegriff ihre scheinradikale Attitüde, ihre subjektivistisch aufgesetzte »fundamentale Kritik von Wert und Arbeit« im innersten Nerv gefährdet, was für sie das schlimmste ist. Marx' Ansatz, die gegebene phantasmatische Verkoppelung, Identität »Jude«=Bürger radikal infrage zu stellen, ist für diese Leute Sakrileg. Nochmal: diesem »intellektuellen« Bourgeois-Nachwuchs (es sind die Joschkas & Joschas und »Radikalreformisten« einer im Sinne ihres offen rechten Counterparts Dietrich Schwanitz »radikal« anglophil-demokratisch erst noch »richtig« zu verbürgerlichenden BRD von morgen, die heute nach den Stellungen staatlich bezahlter »radikaler« akademischer »Ideologiekritik«,  publizistischer »Reeducators« und staatlicher VolkserzieherInnen streben) sind wir KommunistInnen nur gewachsen, wenn wir die effektiveren KritikerInnen des Antisemitismus auf allen Ebenen werden und zugleich die notwendige Kritik an Israels Staat, Regierung und Bourgeoisie taktisch zu dosieren und zu proportionieren verstehen.

Wir dürfen nie vergessen: »Es gibt keine unschuldige Weltanschauung.« (Lukács, Die Zerstörung der Vernunft): Es kann keinen unschuldigen »Antizionismus« in Deutschland geben.) Wir deutschen (d.h. nichts mehr und nichts weniger als: durch die historisch-besonderen deutschen Zustände, die anhaltende Deutsche Misere geprägten und tagtäglich konkret mit ihnen in Auseinandersetzung befindlichen) KommunistInnen sind die am wenigsten Zuständigen für Beurteilung, Einmischung, Urteil und Ratschläge an die jüdischen, palästinensischen, arabischen Menschen in und um Israel in ihren konkret-historischen besonderen Widersprüchen. Lassen wir diese gefälligst selber sprechen, hören wir ihnen gefälligst erst einmal zu, organisieren wir hier dieses Zuhören, und hüten wir uns vor jeglichem Beschützerreflex, vor jeder Bevormundungsattitüde noch so »radikal-linken« deutschen Wesens, an dem die Weltrevolution zu genesen habe.

Auf dieser Ebene müssen wir KommunistInnen innerhalb der Deutschen Zustände sogar stillschweigende  taktische Allianz mit den »anti«-Deutschen uns auferlegen, überall dort, wo sie »im spezifischen diskursiven Feld« der BRD(-linken) Öffentlichkeit die mentale Achillesferse der deutschen kapitalistischen Zustände treffen!  Dabei jedoch keinen Augenblick sich in ihren hämisch-destruktiven, unaufrichtigen, bürgerlichen Diskurs innerhalb der »radikalen« Linken reinziehen lassen, sondern ihr deutsch-denunziantenhaftes Gegeifere aushalten, ihnen keine Vorwände und Angriffsflächen bieten, nach dieser Seite hin das Maul halten und selber strategisch revolutionär-proletarischen Krieg dem Antisemitismus und den deutschen Zuständen erklären und selbständig zu führen beginnen!

Für die communistisch-revolutionäre »Partei« in den Deutschen Zuständen gilt es wieder einmal ganz bewusst revolutionäre »Volksfront«-Strategie zu praktizieren, d. h. nicht im stalinistischen Sinne zur Eliminierung der proletarischen Revolution ins Schlepptau der westlichen Bourgeoisien zu gehen, sondern umgekehrt im Sinne von Lukács (Blum-Thesen 1929 gegen die faschistische Konterrevolution den bürgerlich-und proletarisch-demokratischen Spielraum, Kampfraum für die sozialistische Revolution wiedererobern) und Marx (1860 gegen die zaristisch-bonapartistische Achse) eine »Kartellbeziehung« (Marx) mit bestimmten bürgerlichen »Revolutionären« zwecks Bewahrung, Stärkung und Spielraumerweiterung aus der strategischen Defensive heraus für die communistisch-proletarische »Partei« einzugehen, wie Marx sie folgendermaßen gekennzeichnet hat (am Beispiel seiner politisch-publizistischen Allianz mit den Urquhartisten): subjektiv sind solche Leute Romantiker (wie David Urquhart als reaktionärer Vulgärökonom von Marx in »Das Kapital« entschieden auseinandergenommen, die Urquhartisten »mit meinem Namen gleichzeitig in dem ihnen tödlich verhassten Chartistenblatt«(so Marx) als Sozialreaktionäre kritisiert wurden, -- so müssen unsere »anti«-Deutschen als klar philosemitisch-anglophil umgestülpte deutsch-metaphysische IdealistInnen und bürgerliche »kritische Kritiker« behandelt werden), aber objektiv ist ihre Haltung in der Aussenpolitik die von Revolutionären: z.B. seinerzeit die Urquhartisten, so Marx, »haben ein ganz bestimmtes großes Ziel, den Kampf mit Russland und der Hauptstütze der russischen Diplomatie, Downing Street at London ... Wir Revolutionäre haben sie zu benutzen, solange sie nötig sind.« (MEW 30, 549)

Wenn heute einiges dafür spricht,  dass wir es im Kerneuropa-Projekt mit der BRD als treibender Klassenmacht tendenziell mit dem Bollwerk der Weltreaktion zu tun haben (vergleichbar der zaristisch-bonapartistischen Gefahr, die zu Marxens Zeit vom Bollwerk der Reaktion, Russland, aus die Elemente der bürgerlichen Demokratie und der revolutionären Arbeiterbewegung in Europa bedroht hat), und wenn weder der deutsch-preussische Augíasstall mit seinem kumulierten Antisemitismus (= verkehrt-verkürzten, romantischen »Antikapitalismus«!) jemals ausgemistet worden noch das nationalsozialistische Bollwerk der Weltreaktion, Deutschland, jemals sozialökonomisch und politisch radikal »aufgehoben« worden ist  -- und niemand dürfte besser wissen als die CommunistInnen in BRD, dass diese elementar-revolutionäre Voraussetzung jeglicher proletarischen Revolution in Deutschland und Europa nicht nur total unerledigt geblieben ist sondern seit 1990 sogar fröhliche Urständ feiern darf! -- , dann können sich die spärlichen communistischen Elemente hierzulande eine leere Abstraktheit von wegen »Was haben wir denn schliesslich mit Antisemitismus zu tun -- überhaupt nichts!! denn wir definieren uns ja als proletarische Internationalisten, basta.« und einen frisch-fröhlichen »Antizionismus« auf keinen Fall leisten und haben auch auf dem Terrain der »revolutionären Realpolitik« (Lukács) endlich die Marxsche Methode konkret-historischer Dialektik zu lernen -- statt sich von den politikasternden deutschen Stammtischstrategen der »konkret-Linken« usw. bevormunden zu lassen.

Diese komplizierten Ausgangsbedingungen und Aufgabenstellungen  - die kontrovers überhaupt erst mal auf wissenschaftlich-communistischem Niveau geklärt werden müssen (deshalb allererst: Zurück-zu Marx! auch in der Bestimmung revolutionärer »Welt-Aussenpolitik«)  - müssen in einer programmatischen Grundsatzerklärung unbedingt wenigstens angedeutet, als besonderes Problem von CommunistInnen in diesem Scheißland bezeichnet werden -- und als historisch besondere Verpflichtung! Antikapitalistische Strategie und Taktik mit Perspektive auf kommunistische Revolution im Kontext der proletarischen Weltrevolution ist in BRD nach wie vor nur entlang der Marxschen Devise möglich: »Krieg den deutschen Zuständen!« (MEW 1, 380ff) 

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum SeitenendenaechsterAbschnittad 8., ad 9., ad 10.

Worauf beruht sie denn, die allseitige Konkurrenz: doch nicht allein auf »der Profitlogik« der bösen Kapitalisten, die die guten »elementar klassenbewussten Kolleginnen« so tückisch »gegeneinander ausspielen«... Wiederum »entspringen« ja die »chauvinistischen Regungen« nicht primär »ständischen Bewusstseinsformen« sondern diese müssen wir aus dem gesellschaftlichen Sein erst herleiten,und das ist nicht nur nebenhin auch »eine unserer Aufgaben«.  Hier totale Schwachstelle der Thesen offenbar: nicht klar zu sehen und zu sagen, dass zugleich in die Dimension der Subjektivität der Proletarisierten historisch-materialistisch reinzugehen ist! Psychohistorische Analyse nötig! »Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten« (S.Freud) gegen Mythen, archaische Fressneidmuster,
Komplex des »Sexismus« scharf herausarbeiten !! Die ganze patriarchalistisch-matriarchalistische bürgerliche Scheisse basiert libido-ökonomisch auf dem spezifischen »ordentlichen Untergang des Ödipus« (S.Freud, O.Fenichel e.a.), und mit der Feier der repressiv-entsublimierten »antiödipalen Wunschmaschine« sind wir wahrhaftig vom Regen in die Traufe gekommen.

In diesem psycho-historischen Dilemma müssen sich die wissenschaftlichen KommunistInnen mit den akademischen Konfusionsmoden der dekonstruktivistischen und konstruktivistischen »gender«-Theorien und Manipulationspraktiken auseinandersetzen, sonst stehen sie endgültig als die konservativen Nebenwidersprüchler da. Die ödipalen/«anti«-ödipalen Geschlechterrollen -Muster und Stereotypen, in ihrer säkularen tiefen Erschütterung und Verunsicherung (MEW 4: 469) sich aufbäumend zum letzten Gefecht - eingebettet in das konservativste und eingefleischt-reaktionärste was es überhaupt in der modernen Gesellschaft noch gibt: die Familie -  haben sich vor allem in der Poplinken in den Posen und Masken ihrer Pseudo-Negation verschanzt und führen diese Reaktion-auf-der-ganzen-Linie als »Spiel«-Zwang zum endlosen Rollenspiel-Training für die Konkurrenzverschärfung der proletarisierten Subjekte (de)-konstruktivistisch zur Lifestyle-Perfektion, indem der Neo-Machismo und die korrespondierenden Weibchenhaftigkeiten als todernstes »Spass-und-Spiel«-Mobbing im allseitigen Karrierismus eingesetzt werden, und zwar subtiler und brutaler denn je.

Allein davon werden die libidinösen Energien der Alltagsmenschen zunehmend »aufgezehrt« (S.Freud), und wir bewegen uns in eine neurotische borderline-Gesellschaftlichkeit auf breiter Front hinein, wo alle rassistischen, chauvinistischen, archaischen Stereotypen und Bilder vom Selbst und dem anderen um »Ken & Barbie« herum hochgekocht werden (teste: Werbung, Sportkultur usw. MEW 4:476 Mitte!).

Bisher ist die Kritik daran die Domäne der idealistisch-«hedonistischen« poplinken »Subversion«, die aber völlig versagt und der das satirisch-parodistische Vermögen schon längst ins affirmative Pastiche verlorengegangen ist. Auch hier sind die wissenschaftlichen KommunistInnen einzig gefordert, und es gibt ausser uns niemanden, die/der überhaupt die Problemlage auf den Begriff bringen könnte.

Nochmal: Rassismen und alle Archaismen beruhen auf den Selbstbildern und Ichbildungsformen auf Basis der überkommenen großen gesellschaftlichen Arbeitsteilung »männlich/weiblich« (MEW 3); sie sind ubiquitär. Es gibt keinen Bereich der Subjektivität der Ausgebeuteten und Unterdrückten, AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen, der sich nicht funktional um diese »aktiv/passiv«-Kastrationskomplexe herumgelegt hätte, so, dass die libidinöse Ökonomie (S.Freud) mit der politischen Ökonomie materialistisch-historisch analysierbar verschlungen ist. Wie sollen also die Selbstlegitimationsreflexe des Konkurrenzverhaltens bitteschön aufgehoben werden? (MEW 4:467f, 471,473:)«Die Lohnarbeit beruht ausschliesslich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich.«

Also ist alles noch viel schlimmer, sitzt viel tiefer in der Subjektivität fest. Ökonomistisch, politisch-moralistisch ist das nicht lösbar. Die dialektische Aufhebung dieses vertrackten »identischen Subjekt-Objekt« in der Realität der Konkurrenzsubjekte in der Totalität zu analysieren und »therapieren« versuchen: hic Rhodus, hic salta! Die kommunistische Revolution kann sich erst wieder theoretisch und praktisch organisieren, »wenn sie sich als Therapeutik definiert« (so der Situationist Raoul Vaneigem). Weil sie das nicht tun, beschäftigen sich  Linke und darin gut aufgehoben die »Kommunisten« die meiste Zeit nur damit, blind sich aneinander konkurrierend »abzuarbeiten« und gegenseitig fertigzumachen: »Diese Organisation der Proletarier zur Klasse und damit zur politischen Partei wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst.« (MEW 4: 471)

Nach dem frühen Tod von Hans Jürgen Krahl 1971 hat es in BRD keinerlei Ansatz zu einer revolutionären »Emanzipationsdebatte« die den Namen verdienen würde mehr gegeben, nur noch Psychosektendreck und ein wenig sich daran hochziehende kritische Kritik. Die wissenschaftlichen KommunistInnen allein können dieses riesige Defizit aussprechen, beginnen, in diesen Abgrund hineinzusehen, sich darin destruktiv-konstruktiv zu bewegen und gegenüber der bisherigen moralisierenden linken Hohlformel von der »triple oppression« ihre (psycho-)historisch-materialistische Tiefenschärfe herauszuarbeiten. Es geht um die fröhlichen Urständ, die unappetitliche Reproduktion der archaischen »Trümmer und Überreste untergegangener Produktionsweisen« (Marx) auf dem Boden und im Verbund mit dem sich modernisierenden progressiv-regressiven Kapitalismus als »Teufelsmühlen« der Konkurrenz, durch die sie immer neu zertrümmert und immer neu zusammengesetzt werden ... (MEW 25:799f als materialistisch-historischer Leitfaden)

Die hier angedeuteten Überlegungen können allerdings zur Zeit noch nicht in einer Grundsatzerklärungso entfaltet formuliert werden, sondern sollen hier nur dazu dienen, die Richtung der wissenschaftlichen Theoriebildung in die Dimension der Subjektivität vor Augen zu führen,  die allerdings als Minimalprogramm gegenwärtig dringlichst zu benennen ist, denn ohne dass die KommunistInnen hier Erkenntnisimpulse geben, werden die elementaren Verteidigungskämpfe der ethnisierten Proletarisierten gegenüber der spektakulären Offensive von rassistischem und sexistischem Chauvinismus aller Spielarten garnichts ausrichten können, schon gar keinen revolutionären perspektivischen Schwung über den bürgerlichen radikalen Rechtshorizont von »Freiheit-Gleichheit-Geschwisterlichkeit« und Menschenrechten wie das Kapital sie gerade braucht entwickeln können, mithin in der Selbstzerfleischung der bürgerlichen Konkurrenz als rassistischer/antirassistischer, faschistischer/antifaschistischer, sexistischer/antisexistischer usw. Kampf um Distinktionsgewinn immer weiter gehen  -- mag ihnen auch das label »für den Kommunismus« hier und da  einmal angeklebt werden.

voriger Abschnittzum Seitenanfangzum Seitenendead 11:

Die Kategorie »Volk« nicht bloß (de-)konstruktivistisch in Tüttelchen setzen, sondern wie bei Marx historisch-klassenanalytisch verflüssigen; - im Gegensatz zur Volksdefinition von Lassalle »gegenüber der Arbeiterklasse eine reaktionäre Masse« (auf dieser Linie auch noch Trotsky und Stalin; flexibler, bewusster wohl doch Mao)! Sondern jeweils klassenanalytisch von den objektiven Interessen her konkret in der Situation bestimmen, wer wie für die kommunistische Revolution  in welcher Etappe zu gewinnen ist ... Dann können wir die alte Kategorie »Volk« i.S. v. »Volksmassen« als bewegende historische Triebkräfte (wie Marx und Mao den Begriff zumeist benutzen und füllen) auch hin und wieder entkrampft benutzen - ganz im Sinne des Einwurfs von FG: sie »konstruieren« es ja zunächst selber, die herrschenden Unterdrückerklassen und -individuen: »das Volk«, das den Unterworfenen, Diskriminierten als »Identität« angetan wird, die sie sich nicht aussuchen sondern die sie erleidend »geniessen« müssen ... Das stellt eben doch nach wie vor - wenn auch in neuen gegenwärtigen Formen - die kommunistischen InternationalistInnen vor reale »Volksfront«-Probleme, d.h. die strategischen und taktischen Fragen von konkret-besonderem Übergang ... Auch hier muss es bewusster als früher um Übergangsprobleme in der Subjektivität gehen, die sich klassenanalytisch nie  ökonomistisch erfassen lassen ... Übrigens geht in den Marxschen, flüssig-dialektischen »Volks«begriff auch sowas ein wie »das progressive Pack« (»Grundrisse ...«) -- wir kennen da noch besser das regressive Pack, namentlich in Deutschland, mit dem die KommunistInnen jederzeit nüchtern rechnen müssen ...

ad 12:

Zum modernen Staat (= fertige, bürgerliche Staatsmaschine, so Marx als der beste, nämlich historisch-materialistisch und dialektisch den Übergang denkende »Theoretiker des Anarchismus«(Maximilien Rubel): MEW 17! = der Staat schlechthin, von dem die noch selber staatliche revolutionäre Diktatur des Proletariats nichts mehr übrig lassen darf!): als abstrakte Gesellschaftlichkeit in der bürgerlichen Warenkonkurrentengesellschaft kaputtzumachen, aber als Aufhebung, nicht abstrakte Negation wie beim idealistischen Anarchismus. Revolutionäre antistaatliche Diktatur des Proletariats als einzig mögliche reale Perspektive nicht schamhaft verschweigen und hintanhalten, sondern konkretisieren (z.B. wie die Furcht vor Hinterschreitungen der bürgerlich-demokratischen Rechts(staats)sicherheit etc. ausräumen): Lust machen auf totale »generalisierte Selbstverwaltung« (Räte oder so neu erfinden!) Die ökonomischen Transformationsaufgaben, -probleme aufwerfen, das Spannende an der Realisierung kommunistischer Produktion und Verteilung aus dem globalen Istzustand heraus sichtbar machen: den Inhalt der politischen Übergangsperiode, d.h. fasslich werden lassen, dass Staatsaufhebung das Erlernen der bloßen »Verwaltung von Sachen« ist ...

Entscheidend aber zugleich, um den »radikalen Reformismus« der »linken« staats- und marktwirtschaftssozialistischen Professoren und Volkserzieher der »Regulationstheorie(n)« konkret auseinanderzunehmen: das echte »Regulations«-Problem vs. Reformismus benennen, wie Marx es intoniert (z.B. MEW 23: 293, 299, 315f, 320, 419, 422, 440, 447, 498f, 501, 504-525f ... : Kampf für auch schon entschiedene bürgerliche Staatsschrankensetzung gegen absolute Mehrwehrtausbeutung, Konkurrenz der LohnarbeiterInnen untereinander etc.), und das bewusst ausgehen muss auf »die unvermeidliche Eroberung der politischen Gewalt durch die Arbeiterklasse« (MEW 23, 512), also wiederum auf die revolutionäre Diktatur des Proletariats.

ad 13, ad 14:

Krieg-und-Friedensfrage: hier tüchtiges Verschmieren, Leugnen, Bagatellisieren der wirklichen Widersprüche-Eskalation, Abgleiten in vulgärste pazifistische Illusionsmacherei, wishful thinking, das uns schon immer in den Untergang treiben liess. Stattdessen Marxsche Grund-Desillusionierung aktualisieren, mehr denn je: (MEW 8: 598:) »Statt der wirklichen Verhältnisse ist der Wille als Hauptsache in der Revolution hervorgehoben worden. Während wir den Arbeitern sagen: ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkrieg durchzumachen, um die Verhältnisse zu ändern, um euch selbst zur Herrschaft zu befähigen, ist stattdessen gesagt worden: wir müssen gleich zur Herrschaft kommen, oder wir können uns schlafen legen.«

Der »kommunistische« Reformismus legt sich schlafen, der Putschismus bastelt blanquistische Geheimorganisationen, die ebenfalls von den Regierungsagenten beeinflusst werden. Wenn die wissenschaftlichen KommunistInnen die entschiedene, langwierige Arbeit an der Organisierung der Selbsterziehung der Klasse-für-sich postulieren, heisst das für den bevorstehenden Weltbürgerkrieg ausschliesslich, dass wir selber als sich irgendwie bewaffnendes Proletariat (das können z.B. auch Formen der antifaschistischen und antirassistischen, anti-antisemitischen usw. Selbstverteidigung und Abwehr sein, die de facto Keime für proletarisch-revolutionäre Milizen oder sowas ähnliches darstellen) die Formen diskutieren, wählen und experimentieren, die wir brauchen zur Selbsterhaltung und Selbstformierung für die Emanzipation der ganzen Gesellschaft von Kapital und Staaten. (MEW 17: 652: Marx auf der Sitzung der Internationale 21.9.1871:) »Die Reaktion existiert auf dem ganzen Kontinent; sie ist allgemein und permanent - sogar in den Vereinigten Staaten und in England, nur in einer anderen Form. Wir müssen den Regierungen erklären: wir wissen, dass ihr die bewaffnete Macht seid, die gegen die Proletarier gerichtet ist; wir werden auf friedlichem Wege gegen euch vorgehen, wo uns das möglich sein wird, und mit den Waffen, wenn es notwendig werden sollte.«

Dabei geht es immer um die richtigen Formen, die zu entdecken, zu erfinden, zu entwickeln sind - warum nicht heutzutage viel bewusstere Entfaltung »gewaltfreier« Kampfformen wie sie z.B. als sogenannte »soziale Verteidigung« entwickelt worden sind ? Hauptsache sie hinterschreiten die elementare proletarisch-transnationale Demokratie nicht. Die wissenschaftlich-kommunistische Kritik ist schon mal unsere entscheidendste und stärkste Waffe, sie kann sich unter bestimmten Bedingungen in die revolutionäre Kritik der Waffen verwandeln, wie die Geschichte immer wieder »überraschend« gezeigt hat. Auf die Herstellung der internationalistisch-proletarischen Kommunikation kommt es bei aller Vernetzung von KommunistInnen an: aufgreifen und vorantreiben kann das revolutionäre Proletariat diese »nur dort, wo sich der Dialog bewaffnet hat, um seinen eigenen Bedingungen zum Sieg zu verhelfen.« (»Die Gesellschaft des Spektakels« These 221)

P.C., als Diskussionsbeitrag für die theorie praxis lokal -Grundsatzdebatte, Frankfurt/M. Juli/Aug. 2002

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