aus dem Zirkularbrief 1, Mai 2001

Faschismus erkennen, um ihn zu bekämpfen

Ablaufplan von Fritz Güde für das Faschismusseminar vom 24. bis 27.5.2001

Wir rechnen vorläufig mit 6 Themenblöcken, die je nach Teilnehmerzahl im Plenum oder in Arbeitsgruppen behandelt werden sollen:

1. Faschismus als konterrevolutionäre Massenbewegung zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Do, 24. 5., 11 Uhr

Wir folgen kritisch dem Ansatz Kühnls, der im Faschismus vor allem eine Grundbewegung sieht gegen die freiheitlichen Forderungen der französischen Revolution und derer, die die formale Freiheit vor dem Staat in solche des gesamten gesellschaftlichen Lebens weiterführen wollten. Faschismus versucht nach dieser Theorie die Solidarität der internationalen Arbeiterklasse zu ersetzen durch ein Surrogat: den Zusammenhalt innerhalb einer Nation oder gar einer »Rasse«.

2. Nationalsozialismus als zu Ende gedachter Kontinentalimperialismus. Do, 24. 5., 16 Uhr

Grundlage des Nationalsozialismus ist offen erklärter Rassismus und Antisemitismus. In diesem Zusammenhang wären vor allem die Überlegungen Postones zu überprüfen, der im Antisemitismus der Faschisten genau deshalb das konstituierende Moment herausarbeiten kann, weil im Judenhass die Wertabstraktion selbst scheinhaft fassbar gemacht und dadurch bekämpft werden soll, dass das Abstrakte einer konkreten Menschengruppe zugeschrieben wird.

3. Nationalsozialismus als »Parasit« des bürgerlichen Staates. Fr, 25. 5., 11 Uhr

Im Hinblick vor allem auf die Frontbegradigung nach 1945 mit ihrer Verehrung des »Rechtsstaats« als Inbegriff der Absage an die NS-Vergangenheit untersuchen wir, wie der angeblich revolutionäre Nationalsozialismus in Wirklichkeit das »verhasste« bürgerliche Recht des Kapitalismus in keinem Punkt endgültig überwinden konnte. Was vom gewöhnlichen bürgerlichen Staat abwich, wurde durch ein System von Maßnahmen durchgesetzt. Wir würden den Staat des Nationalsozialismus vor allem anhand von Neumanns Behemoth untersuchen in Absetzung des Bildes von Pollock aus der Frankfurter Schule, der wirklich meinte, dem NS-System sei es gelungen, eine, wenn auch perverse, Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel zu erreichen.

4. Neofaschismus in seinen verschiedenen Ausprägungen – Fr, 25. 5., 16 Uhr

Wir gehen davon aus, dass das Kapital selbst in dem jetzigen System der »Globalisierung« die optimale weltweite gesellschaftliche Ordnung gefunden hat. Was wäre dann die noch mögliche Funktion der neofaschistischen Gruppen? Sind sie im Sinne Theweleits und Benjamins wesentlich als Versuche der Ästhetisierung der eigenen Person und Vita zu verstehen – oder sind sie das vorrätig gehaltene Drohmittel, mit dem erwünschte Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, zum Beispiel für die Abschaffung des Asylrechts? Handelt es sich demnach um einen »Faschismus zum Anknipsen« je nach Bedarf?

5. Staatliche Ausgliederungen nach faschistischem Muster – Sa, 26. 5., 11 Uhr

Wir verstehen Faschismus wesentlich als Massenbewegung. Insofern sind Polizeistaaten und Militärdiktaturen nicht als faschistisch einzustufen, so unangenehm sie sein mögen. Davon zu unterscheiden sind aber die Ausgliederungen mit eigenem Corpsgeist, wie wir sie in den französischen Fallschirmjägern angetroffen haben, aber auch in den Todesschwadronen verschiedener Staaten. Welche staatlichen Sondergruppen wurden und werden eingesetzt, um den Rechtsstaat formell aufrechtzuerhalten, tatsächlich aber fallweise nach Bedarf zu unterlaufen ? Wie werden solche Gruppen wie Ustascha und UCK in anderen Staaten eingesetzt und ferngelenkt ?

6. Herrschaftssicherung über Anleihen bei der faschistischen Vergangenheit – Sa, 26. 5., 16 Uhr

Haider in Österreich, Berlusconi in Italien und die »Stolz-Kampagnen-Führer« in der BRD (ansatzweise) : sie alle scheuen vor der faschistischen Zuspitzung zurück, versuchen aber die sozial-demokratische Massenbasis in weiterem Sinn immer wieder anzureichern durch eine im Bedarfsfall als Druckmittel einzusetzende aktivistische Rechtsgruppe. Heranzuziehen wären hier systematisch die Überlegungen von Sohn-Rethel von 1930 (!); zu Haider konkret die ausgezeichneten Artikel von Seeßlen.

Abschlussdiskussion:

Welche antifaschistische Praxis jenseits von »Aufstand der Anständigen «, Lichterketten und staatlicher Verbotspolitik ? – Sonntag, 27. 5., 11 Uhr

 

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