Zusatz zum Kritischen Lektuerekurs KARL MARX ZUR »JUDENFRAGE« (vom 10.5.2003):  

Karl Marx kritisiert Bruno Bauers »Judenfrage« + Repliken

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Exzerptzusammenfassung mit Seitenblick auf die klassische und heutige deutschlinke »Kritische Kritik«

In der »Kritik der kritischen Kritik« (Frankfurt am Main 1845), naemlich der als »Die heilige Familie« bezeichneten Clique der radikalen LinksHEGELianer um »Bruno Bauer und Consorten«, fasst MARX seine zwei Rezensionen des Buches »Die Judenfrage« und des Artikels »Die Faehigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden« von B.BAUER, die unter dem Titel »Zur Judenfrage« in der Exilzeitschrift DEUTSCH-FRANZOESISCHE JAHRBUECHER (Hg.: ARNOLD RUGE und KARL MARX, Paris 1844) erschienen waren, selbst noch einmal zusammen und bezieht sich damit auf die inzwischen erschienenen Repliken von B.BAUER. In dieser ersten offen historisch-materialistischen Kritik am idealistischen buergerlichen, radikaldemokratischen Deutsch-Jakobinismus »des Geistes« zeigt MARX dessen Zurueckfallen hinter den von HEGEL erreichten Historizismus auf, legt den typisch deutsch-idealistischen, deutsch-linken Radikalismus bloß, der die vom HEGELschueler LUDWIG FEUERBACH inzwischen eingeleitete filosofische Wende zu einem neuen, dialektisch erweiterten Materialismus abwehrt, anstatt sie radikal historisierend weiterzutreiben (zu dieser weitertreibenden, die Anthropologie historisierenden FEUERBACH-Kritik geht MARX mit F.ENGELS zu dieser Zeit bereits ueber mit der Arbeit »Die deutsche Ideologie«, MEW 3), und der sich lediglich in der radikalen Pose des vernichtenden Kritikers eingerichtet hat, die er dem entstandenen / entstehenden modernen Proletariat entgegenstellt, von dem er keinen Begriff hat und das er -- als »die negative Seite des Gegensatzes« innerhalb der buergerlichen Gesellschaft selbst, als »die destruktive Partei« in der modernen/sich modernisierenden Welt (MEW 2:S.37) -- mit deutschprofessoralem Ekel als Inkarnation der Dummheit und »reaktionaeren« Verworfenheit behandelt.

Weil alle diese Zuege nach wie vor auch kennzeichnend fuer die »kritischen Kritiker« der »radikalen Linken« und akademischen/sub- und semi-akademischen Ex-Linken der deutschen Zustaende bis in die Berliner Republik hinein geblieben sind, wie sie eben der kumulierten Deutschen Misere immer wieder neu entspringen, die heute meinen, ueber die Aktualitaet des modernen Antisemitismus sprechen zu koennen, indem sie ueber die Aktualitaet der communistischen Revolution des modernen Proletariats schweigen, hier zur Einleitung die sehr aktuellen Kennzeichnungen ihres Urtypus vor 160 Jahren bei MARX: (MEW2:84-125 -- Unsere Ergaenzungen, Erlaeuterungen und Anmerkungen/Kommentare in [ ]. Hervorhebungen meist von MARX, aber manchmal von uns (P.C.)

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»Die absolute Kritik spricht von 'Wahrheiten, die sich VON VORNHEREIN von selbst verstehen'. In ihrer kritischen Naivitaet erfindet sie ein absolutes 'von vornherein' und eine abstrakte, unveraenderliche 'Masse'. (...) Sie verwirft die MASSENHAFTE Geschichte, an deren Stelle sie die KRITISCHE Geschichte setzen wird. (...) Die absolute Kritik jedoch hat von der HEGELschen 'Phaenomenologie' wenigstens die Kunst erlernt, reale, objektive, ausser mir existierende Ketten in BLOß IDEELLE, BLOß SUBJEKTIVE, BLOß IN MIR existierende Ketten und daher alle aeusserlichen, sinnlichen Kaempfe in reine Gedankenkaempfe zu verwandeln. (...) Die absolute Kritik hat die 'Masse' fuer DEN WAHREN FEIND des GEISTES erklaert. (...) Die absolute Kritik geht von dem DOGMA der absoluten Berechtigung DES 'GEISTES' aus. Sie geht ferner von dem Dogma der AUSSERWELTLICHEN, d.h. ausser der Masse der Menschheit hausenden Existenz des Geistes aus. (...) Schliesslich laeuft diese große kritische Entdeckung auf eine Tautologie hinaus. Der Geist hatte nach ihrer Ansicht bisher eine Schranke, ein Hindernis, d.h. einen Widersacher, weil er einen Widersacher hatte. Wer ist nun der Widersacher des Geistes ? Die Geistlosigkeit. Die Masse ist naemlich nur als 'Gegensatz' des Geistes bestimmt, als 'Geistlosigkeit' und als die naeheren Bestimmungen der Geistlosigkeit, als 'Indolenz', 'Oberflaechlichkeit', 'Selbstzufriedenheit'. Welche gruendliche Ueberlegenheit ueber die kommunistischen Schriftsteller, Geistlosigkeit, Indolenz, Oberflaechlichkeit, Selbstzufriedenheit nicht in ihre Zeugungsstaetten verfolgt, sondern MORALISCH abgekanzelt und als Gegensatz des Geistes, des Fortschrittes ENTDECKT zu haben ! Wenn diese Eigenschaften fuer Eigenschaften DER Masse, als eines noch von ihnen unterschiedenen SUBJEKTs, erklaert werden, so ist diese Unterscheidung nichts als eine 'kritische' SCHEINunterscheidung. (...)

Das Verhaeltnis von 'Geist und Masse' hat indes noch einen versteckten Sinn (...) Wir deuten ihn hier nur an. Jenes von Herrn BRUNO [BAUER] entdeckte Verhaeltnis ist naemlich nichts anderes als DIE KRITISCH KARIKIERTE VOLLENDUNG DER HEGELSCHEN GESCHICHTSAUFFASSUNG, welche wieder nichts anderes ist als der SPEKULATIVE Ausdruck des CHRISTLICH-GERMANISCHEN Dogmas vom Gegensatz des Geistes und der Materie, Gottes und der Welt. Dieser Gegensatz drueckt sich naemlich innerhalb der Geschichte, innerhalb der Menschenwelt selbst so aus, dass wenige auserwaehlte INDIVIDUEN als AKTIVER Geist der uebrigen Menschheit als einer geistlosen Masse, als der Materie gegenueberstehen. HEGELs Geschichtsauffassung setzt einen ABSTRAKTEN oder ABSOLUTEN GEIST voraus, der sich so entwickelt, dass die Menschheit nur eine Masse ist, die ihn unbewusster oder bewusster traegt. Innerhalb der empirischen, exoterischen Geschichte laesst er daher eine spekulative, esoterische Geschichte vorgehn. Die Geschichte der Menschheit verwandelt sich daher in die Geschichte des ABSTRAKTEN, daher dem wirklichen Menschen JENSEITIGEN Geistes der Menschheit.

Parallel mit dieser HEGELschen Doktrin entwickelte sich in Frankreich die Lehre der Doktrinaere [elitaere politische Clique 1815-30, die einen Block aus Bourgeoisie und Aristokratie anstrebte], welche die SOUVERAENITAET DER VERNUNFT IM GEGENSATZ ZUR SOUVERAENITAET DES VOLKES proklamierten, um die Massen auszuschliessen und ALLEIN zu herrschen. Es ist dies konsequent. Wenn die Taetigkeit der WIRKLICHEN Menschheit nichts als die Taetigkeit einer Masse von menschlichen Individuen ist, so muss dagegen die ABSTRAKTE Allgemeinheit, die Vernunft, DER Geist, im Gegenteil einen abstrakten, in wenigen Individuen erschoepften Ausdruck besitzen. Es haengt dann von der Position und der Einbildungskraft eines jeden Individuums ab, ob es sich fuer diesen Repraesentanten 'des Geistes' ausgeben will. (...) Herr BRUNO [BAUER] hebt HEGELs Halbheit auf. Einmal erklaert er DIE Kritik fuer den absoluten Geist und SICH SELBST fuer DIE Kritik. Wie das Element der Kritik aus der Masse verbannt ist, so ist das Element der Masse aus der Kritik verbannt. DIE Kritik weiss sich daher nicht in einer MASSE, sondern in einem geringen HAEUFLEIN AUSERWAEHLTER Maenner, in Herrn BAUER und seinen Juengern, ausschliesslich inkarniert.

Herr BRUNO hebt ferner die andere Halbheit HEGELs auf, indem er nicht mehr wie der HEGELsche Geist post festum in der Phantasie die Geschichte macht, sondern mit Bewusstsein im Gegensatz zu der Masse der uebrigen Menschheit die Rolle des Weltgeistes spielt, in ein gegenwaertiges DRAMATISCHES Verhaeltnis zu ihr tritt (...) Der Umgestaltungsakt der Gesellschaft reduziert sich auf die HIRNTAETIGKEIT der kritischen Kritik. Ja, das Verhaeltnis der Kritik, also auch der inkarnierten Kritik, Herrn BRUNOs & Co, zur Masse, ist in Wahrheit das EINZIGE geschichtliche Verhaeltnis der Gegenwart. Auf die Bewegung der beiden Seiten gegeneinander reduziert sich die ganze jetzige Geschichte. Alle Gegensaetze haben sich in diesem KRITISCHEN Gegensatz aufgeloest. Die kritische Kritik, welche sich nur an ihrem Gegensatz, der Masse, der DUMMHEIT, gegenstaendlich wird, muss sich daher bestaendig diesen Gegensatz ERZEUGEN, und die Herren (...) haben hinreichende Proben geliefert von der Virtuositaet, welche sie in ihrem Fach, in der massenhaften Verdummung von Personen und Sachen, besitzt.

Begleiten wir nun die absolute Kritik in ihren FELDZUEGEN gegen die MASSE.

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DIE JUDENFRAGE Nr.I. DIE STELLUNG DER FRAGEN

Der 'Geist' im Gegensatz zur Masse benimmt sich sogleich KRITISCH, indem er sein eigenes borniertes Werk, BRUNO BAUERs 'JUDENFRAGE', als absolut und nur die Gegner desselben als Suender betrachtet. (...)

Die Polemik einiger liberaler und rationalistischer Juden gegen Herrn BRUNOs 'JUDENFRAGE' hat natuerlich einen ganz anderen kritischen Sinn als die massenhafte Polemik der Liberalen gegen die Philosophie und der Rationalisten gegen [den junghegelianischen Begruender der Historischen Bibelkritik mit 'Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet', 1836, DAVID FRIEDRICH] STRAUSS. [Dieser erklaerte die Offenbarungen der Bibel fuer bloße Mythen, entsprungen aus der Messias-Hoffnung des juedischen Volkes. Typisch christlich-germanisch hielt er aber an einer goettlichen Substanz fest, die auch in den biblischen Mythen symbolisch ausgedrueckt sei. Hauptsache Subjekt Weltgeist.] (...)

Was die 'Menschenrechte' betrifft, so ist Herrn BRUNO bewiesen worden ([K.MARX:] ZUR 'JUDENFRAGE' 1844), dass nicht die WORTFUEHRER DER MASSE, sondern 'ER SELBST' ihr Wesen verkannt und dogmatisch misshandelt hat. Gegen seine Entdeckung, dass die Menschenrechte nicht 'angeboren' sind, eine Entdeckung, die in England seit mehr als 40 Jahren unendlichemal entdeckt worden ist, ist FOURIERs Behauptung, dass Fischen, Jagen etc. angeborene Menschenrechte seien, genial zu nennen. (...)

Herr BRUNO, der den Staat mit der Menschheit, die Menschenrechte mit dem Menschen, die politische Emanzipation mit der menschlichen verwechselte, muss sich notwendigerweise einen Staat von eigner Art, ein philosophisches Ideal von einem Staate, wenn auch nicht denken, so doch einbilden. (...)

[Bereits] in den DEUTSCH-FRANZOESISCHEN JAHRBUECHERN [wurde] gezeigt, dass der Staat der Staende und des exklusiven Christentums nicht nur der unvollendete Staat, sondern der unvollendete CHRISTLICHE Staat sei,(...) [und] gegen Herrn BRUNOs Satz: 'Die Juden haben durch den Druck gegen die Springfedern der Geschichte den Gegendruck hervorgerufen' erinnert Herr HIRSCH ganz richtig: 'So muessten sie also fuer die Bildung der Geschichte etwas gewesen sein, und wenn BAUER dies selbst behaupte, so haette er andererseits unrecht zu behaupten, dass sie nichts fuer die Bildung der neueren Zeit beigetragen haetten.'

Herr BRUNO antwortet: 'Ein Dorn im Auge ist auch etwas -- traegt er deshalb zur Entwicklung meines Gesichtssinnes bei ?' Ein Dorn, der mir -- wie das Judentum in der christlichen Welt -- von der Stunde der Geburt im Auge sitzt, sitzen bleibt, mit ihm waechst und sich gestaltet, ist kein gewoehnlicher, sondern ein wunderbarer, ein zu meinem Auge gehoeriger Dorn, der sogar zu einer hoechst originellen Entwicklung meines Gesichtssinnes beitragen muesste. Der kritische 'Dorn' spiesst also nicht den deklamierenden HIRSCH. [B.BAUER hatte den juedischen Liberalen als 'Deklamator' abgetan, d.h. als leertoenenden Vortragskuenstler, leere Rhetorik -- romantisch-antijuedisches Stereotyp vom ohnmaechtigen, laut schreienden 'Juden im Dorn' -- das antijuedischste aller GRIMMs Maerchen ('au wei geschrien!': Stereotyp des wehklagenden Juden, dem doch recht geschieht ... -- siehe die klassische Analyse des deutschen Antisemitismus dieses Maerchens durch ARNOLD ZWEIG, ihm folgend O.FENICHEL) --, der an seinem Missgeschick doch schliesslich SELBER SCHULD sei: braucht er sich doch nicht zu wundern, wenn ... etcpp. -- 'Deklamieren' heisst auch soviel wie 'hohle, toenende Erklaerung, die man ueberhoeren, Anspruch, den man uebergehen kann': MARX zitiert die typische Replik BAUERs auf Widerlegungen seines 'Beweises': 'Vorwuerfe sind in dieser Angelegenheit bedeutungslos.'] Uebrigens ist Herrn BRUNO in der oben zitierten Kritik [von PHILIPPSON, HIRSCH e.a.] die Bedeutung des Judentums fuer 'die BILDUNG der neueren Zeit' enthuellt worden.

Das theologische Gemuet der absoluten Kritik fuehlt sich von dem Ausspruche eines rheinischen Landtagsabgeordneten, 'dass die Juden nach ihrer juedischen und nicht nach unserer sogenannten christlichen Weise VERSCHROBEN sind', dermaßen verletzt, dass sie ihn noch nachtraeglich 'fuer den Gebrauch dieses Arguments zur ORDNUNG verweist'. Auf die Bemerkung eines anderen Abgeordneten: 'BUERGERLICHE Gleichstellung der Juden kann nur da statthaben, wo das Judentum selbst nicht mehr existiert', bemerkt Herr BRUNO: 'Richtig! dann naemlich, wenn die andere Wendung der Kritik nicht fehlt, die ich in meiner Schrift durchgefuehrt habe,' naemlich die Wendung, dass auch das Christentum aufgehoert haben muesse zu existieren. Man sieht, dass die absolute Kritik in Nr.I ihrer Replik auf die Angriffe gegen die Judenfrage noch immer die Aufhebung der Religion, den Atheismus, als Bedingung der BUERGERLICHEN Gleichheit betrachtet, also in ihrem ersten Stadium NOCH keine weitere Einsicht in das Wesen des Staates wie in das 'Versehen' ihres 'Werkes' erworben hat. (...)

Wir koennen uns nicht ohne eine allgemeine Bemerkung von Nr.I der 'Judenfrage' trennen. Ein Hauptgeschaeft der absoluten Kritik besteht darin, alle Zeitfragen erst in ihre RICHTIGE STELLUNG zu bringen. Sie beantwortet naemlich nicht die WIRKLICHEN Fragen, sondern schiebt GANZ ANDERE Fragen unter. Wie sie alles macht, muss sie auch die 'Zeitfragen' erst MACHEN, sie zu IHREN, zu kritisch-kritischen Fragen machen. Handelte es sich um den 'CODE NAPOLÉON', sie wuerde beweisen, dass es sich EIGENTLICH um den 'PENTATEUCH' handele [d.h. die Kritischen Kritiker MACHEN im Handumdrehn das Gesetz der BUERGERLICHEN Gesellschaft zu den FuenfBuechernMosis der juedischen UNIVERSALreligion. -- MARX spaeter sarkastisch ueber das kapitalistische Credo: »Akkumuliert, akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten!« MEW23:621, 798(Anmerkung268)]. Ihre STELLUNG der 'Zeitfragen' ist die kritische ENTSTELLUNG und VERSTELLUNG derselben. So verdrehte sie auch die 'Judenfrage' dergestalt, dass sie die POLITISCHE EMANZIPATION, um welche es sich in jener Frage handelt, nicht zu untersuchen brauchte, sondern vielmehr mit einer Kritik der juedischen Religion und einer Schilderung des christlich-germanischen Staats sich begnuegen konnte. Auch diese Methode ist, wie jede Originalitaet der absoluten Kritik, die Wiederholung eines SPEKULATIVEN Witzes. Die SPEKULATIVE PHILOSOPHIE, namentlich die HEGELsche Philosophie, musste alle Fragen aus der Form des gesunden Menschenverstandes in die Form der spekulativen Vernunft uebersetzen und die wirkliche Frage in eine SPEKULATIVE Frage verwandeln, um sie beantworten zu koennen. Nachdem die SPEKULATION mir MEINE Frage im Munde verdreht und mir, wie der Katechismus, IHRE Frage in den Mund gelegt hatte, konnte sie natuerlich, wie der Katechismus, auf jede meiner Fragen ihre Antwort bereit haben. (...)

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2. FELDZUG DER ABSOLUTEN KRITIK

[MARX konfrontiert hier »die Kritik« und FEUERBACH. Er zeigt die Anmaßung der Kritischen Kritiker, sie haetten die ganze Philosophie erledigt -- so wie die heutigen Kritischen Kritiker die ganze Theorie und ihre Vermittlungsleistung bespucken (»Der Theoretiker ist der Wert« und aehnlichen bluehenden Bloedsinn ... -- mithin das fuer diese Neo-Metaphysiker und »radikalen« Neo-Theologen schlechthin Boese), sie von vornherein der Anbiederung an die »reaktionaere« Masse bezichtigen, eine umgestuelpte Intellektuellenfeindlichkeit schueren (jede Anstrengung des Begriffs ab MARX, jede Arbeit der Konkretion der kapitalistischen Totalitaet wird neuerdings a limine als »akademischer Marxismus« und als »Marx-Exegese« abgetan und veraechtlich gemacht), »die Rettung der Metaphysik« (ADORNO) einklagen und sich zur »negativen« oder positiven Theologie und sich einer darauf basierten enthemmt-moralisierenden und moeglichst vernichtenden »Polemik« hingeben (eine moralisch-kategorische Generalklausel »ADORNOs razor« wird in Anschlag gebracht, als ob der scholastische »OCCAM's razor« (»Man soll die wesentlichen Dinge nicht unnötig vervielfachen.«) nicht schon banal und grobklotzig genug waere, um die konkrete Komplexitaet der kapitalistischen Realdialektik der Gegenwart zu verfehlen und zu vergewaltigen) ... -- und so wie die Kritischen Kritiker von einst und jetzt meinen, sie koennten zugleich dem materialistischen HEGEL-Ueberwinder FEUERBACH auf den Kopf spucken, ueber dessen endgueltige Ersetzung des Subjekts Weltgeist/Weltlauf durch das menschliche Gattungssubjekt (und damit den MARXschen »kategorischen Imperativ« mit seiner Begruendung, »dass der Mensch das hoechste Wesen fuer den Menschen sei« MEW 1:385) sowie ueber dessen Freilegung des wirklichen gesellschaftlichen Natur- und Beduerfniswesens Mensch sie sich garnicht genug alterieren koennen, weil sie damit es ja mit den leibhaftigen Massen dieses Gattungswesens zu tun bekommen.

Dafuer regredieren diese Gefangenen des HEGELschen Geist-Geschichts-Zynismus um so entschiedener auf ein massenfeindliches (proletariatsfeindliches) Menschenbild des vergeistigten »kritischen« Idealbuergers (sprich: preussisch-deutschen Professors bzw. Bildungsbuergers), mit dem sie ploetzlich das Geheimnis ihres mystifikatorischen HEGELianischen Geschichts-Systems fuer aufgedeckt erklaeren, mit anderen Worten, dass sie, die esoterische Geistes-Elite der wahren Radikalen in Deutschland, es geblickt haben (so wie unsere heutigen freiburger Kritischen Kritiker es z.B. einfach geblickt haben, »dass es keinen Begriff vom WERT geben kann, weil wenn es einen gaebe, koennte er nur sagen, dass 'der Wert' das schlechthin Unsagbare=Irrationale der Gesellschaft, der Geschichte ist.« -- so J.BRUHN im November 2003 noch wortwoertlich auf einer Veranstaltung in Frankfurt am Main.) MARX verteidigt die zu jener Zeit immerhin mit FEUERBACH erreichte Arbeit des Begriffs zunaechst genau am Begriff des Menschen gegen die idealistische deutsche Unmenschlichkeit. Mit der Verteidigung der -- aufzuhebenden! -- »Philosophie« gegen ihre »radikalen« Veraechter (die in Wirklichkeit in ihrer Hassliebe zu dieser fixiert bleiben muessen, solange sie deutsche Idealisten sind, an der deutschen Geisteselite-Imago auf links festklebende Staats-Buerger) verteidigt MARX die THEORIE als gattungs-substanzielle »Vernuenftigkeit in der Geschichte« (HEGEL) gegen die schon hier im Ausgang der HEGELschen Schule massiv einsetzende Offensive der Zerstoerung der Vernunft in Deutschland.]

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»(...) Die absolute Kritik, die nie aus dem Kaefig der HEGELschen Anschauungsweise herausgekommen ist, tobt hier gegen die Eisenstange und Waende des Gefaengnisses. Der 'einfache Begriff', die Terminologie, die ganze Denkweise der Philosophie, ja alle Philosophie wird mit Abscheu zurueckgestoßen. (...) 'Das Geheimnis des Systems' wird fuer 'aufgedeckt' erklaert. Aber wer hat denn das Geheimnis des 'Systems' aufgedeckt ? FEUERBACH. Wer hat die Dialektik der Begriffe, den Goetterkrieg, den die Philosophen allein kannten, vernichtet ? FEUERBACH. Wer hat, zwar nicht 'DIE BEDEUTUNG des Menschen' -- als ob der Mensch noch eine andere Bedeutung habe als die, dass er Mensch ist! --, aber doch 'DEN MENSCHEN' an die Stelle des alten Plunders, auch des 'unendlichen Selbstbewusstseins', gesetzt ? FEUERBACH und nur FEUERBACH. Er hat noch mehr getan. Er hat dieselben Kategorien, womit DIE 'Kritik' jetzt um sich wirft, den 'wirklichen Reichtum der menschlichen Verhaeltnisse, den ungeheuren Inhalt der Geschichte, den Kampf der Geschichte, den Kampf der Masse mit dem Geist' etc. etc. laengst vernichtet. Nachdem der Mensch einmal als das Wesen, als die Basis aller menschlichen Taetigkeit und Zustaende erkannt ist, kann nur noch DIE 'Kritik' neue Kategorien erfinden und den Menschen selbst, wie sie es eben tut, wieder in eine Kategorie und in das Prinzip einer ganzen Kategorienreihe verwandeln, womit sie allerdings den letzten Rettungsweg einschlaegt, der der geaengstigten und verfolgten THEOLOGISCHEN UNMENSCHLICHKEIT noch uebrigblieb.

DIE GESCHICHTE tut NICHTS, sie 'besitzt KEINEN ungeheuren Reichtum', sie 'kaempft KEINE Kaempfe' ! Es ist vielmehr DER MENSCH, der wirkliche, lebendige Mensch, der das alles tut, besitzt und kaempft ; es ist nicht etwa die 'Geschichte', die den Menschen zum Mittel braucht, um IHRE -- als ob sie eine aparte Person waere -- Zwecke durchzuarbeiten, sondern sie IST NICHTS ALS die Taetigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen. Wenn die ABSOLUTE Kritik sich nach FEUERBACHs genialen Entwicklungen noch untersteht, uns den ganzen alten Kram in neuer Gestalt wieder herzustellen und zwar in demselben Augenblick, wo sie auf ihn als 'MASSENHAFTEN' Kram losschimpft, wozu sie um so weniger ein Recht hat, als sie zur Aufloesung der Philosophie nie einen Finger ruehrte, so reicht diese einzige Tatsache hin, um das 'GEHEIMNIS' DER Kritik zutagezufoerdern (...)

Den wahren Fortschritt ueber ihre Taten des ersten Feldzugs vollbringt die Kritik, wenn sie den Kampf 'DER MASSE' mit dem 'GEIST' als 'DAS ZIEL' der ganzen bisherigen Geschichte 'bestimmt', wenn sie 'DIE MASSE' fuer 'das REINE NICHTS' der 'ERBAERMLICHKEIT' erklaert, wenn sie geradezu die Masse die 'MATERIE' nennt und 'DEN GEIST' als das Wahre 'DER MATERIE' gegenueberstellt. Ist also die absolute Kritik nicht ECHT CHRISTLICH-GERMANISCH ? Nachdem der alte Gegensatz des Spiritualismus und Materialismus nach allen Seiten hin ausgekaempft und von FEUERBACH ein fuer allemal ueberwunden ist, macht 'DIE Kritik' ihn wieder in der ekelhaftesten Form zum Grunddogma und laesst den 'CHRISTLICH-GERMANISCHEN GEIST' siegen.

Als eine Entwicklung ihres im ersten Feldzug noch versteckten Geheimnisses ist es endlich zu betrachten, wenn sie hier den Gegensatz von GEIST und MASSE mit dem Gegensatz 'DER KRITIK' und der Masse identifiziert. Sie wird spaeter dazu fortgehen, SICH SELBST mit 'DER Kritik' zu identifizieren und sich damit als 'DEN GEIST', als das Absolute und Unendliche, die Masse dagegen als endlich, roh, brutal, tot und unorganisch -- denn das versteht 'DIE Kritik' unter Materie -- hinzustellen. Welch ungeheurer Reichtum der Geschichte, der in dem Verhaeltnis der Menschheit zu HERRN BAUER sich erschoepft !

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DIE JUDENFRAGE NR.2: KRITISCHE ENTDECKUNGEN UEBER SOZIALISMUS, JURISPRUDENZ UND POLITIK (NATIONALITAET)

Den massenhaften, materiellen Juden wird die CHRISTLICHE Lehre von der GEISTIGEN FREIHEIT, VON DER FREIHEIT IN DER THEORIE gepredigt, jene SPIRITUALISTISCHE Freiheit, die sich auch noch in den Ketten EINBILDET, frei zu sein, die seelenvergnuegt ist in 'DER IDEE' und von aller massenhaften Existenz nur geniert wird. 'So weit die Juden jetzt in der Theorie sind, so weit sind sie emanzipiert, so weit sie frei sein wollen, so weit sind sie frei.' [BRUNO BAUER 1844 'Neueste Schriften ueber die Judenfrage']

Aus diesem Satze kann man sogleich die kritische Kluft ermessen, welche den MASSENHAFTEN, profanen Kommunismus und Sozialismus von dem ABSOLUTEN Sozialismus [wir kennen ihn heute in der abstrakt angeklebten Parole »fuer den kommunismus !!« = »radikal«-idealistischer, utopisch-sozialistischer »Platzhalter« fuer DAS GANZ ANDERE SCHLECHTHIN, fuer eine dezidierte Regression auf den buergerlichen Gefuehlssozialismus, Fruehsozialismus des noch ganz und gar jungHEGELianischen MARX der Rheinischen Zeitung (Artikel uebers Holzdiebstahlgesetz, 1842/43)] scheidet. Der erste Satz des profanen Sozialismus verwirft die Emanzipation IN DER BLOßEN THEORIE als eine Illusion und verlangt fuer die WIRKLICHE Freiheit, ausser dem idealistischen 'WILLEN', noch sehr handgreifliche, sehr materielle Bedingungen. Wie tief steht 'DIE MASSE' unter der heiligen Kritik, die Masse, welche materielle, praktische Umwaelzungen fuer noetig haelt, selbst um die Zeit und die Mittel zu erobern, welche auch nur zur Beschaeftigung mit 'DER THEORIE' erheischt werden !

Springen wir fuer einen Augenblick aus dem rein geistigen Sozialismus in die POLITIK ! (...) Da Herr BAUER die POLITISCHE Emanzipation mit der MENSCHLICHEN Emanzipation verwechselt, da der Staat gegen widerstrebende Elemente -- Christentum und Judentum werden aber in der 'Judenfrage' als hochverraeterische Elemente qualifiziert -- nur durch gewaltsame Ausschliessung der Personen, die sie vertreten, zu reagieren weiss, wie z.B. der Terrorismus [der Jakobiner] die Akkaparation [Wucher-, Schieber-, Rafferei ...] durch das Koepfen der Akkapareurs vernichten wollte, so musste Herr BAUER Juden und Christen in seinem 'kritischen Staat' aufhaengen lassen. Wenn er die politische Emanzipation mit der menschlichen verwechselte, so musste er konsequenterweise auch die POLITISCHEN MITTEL der Emanzipation mit den MENSCHLICHEN MITTELN derselben verwechseln. (...)

So heisst es [bei B.BAUER in seiner Replik gegen die Kritiker seiner 'Judenfrage']: 'Haette ich in jener Arbeit UEBER die Kritik hinausgehen WOLLEN oder DUERFEN, so haette ich nicht vom STAAT, sondern von 'DER GESELLSCHAFT' reden (!) muessen (!), die niemanden ausschliesst, sondern von der sich nur diejenigen ausschliessen, die an ihrer Entwickelung nicht teilnehmen wollen.' (...)

Sie WOLLTE nicht ! sie DURFTE nicht ueber ihre bornierte Fassung der Judenfrage hinausgehen ! Wenn sie aber GEWOLLT oder GEDURFT haette, was haette sie getan ? -- Sie haette eine DOGMATISCHE DEFINITION gegeben. Sie haette statt von dem 'Staate' von 'DER GESELLSCHAFT' geredet, also nicht das WIRKLICHE VERHAELTNIS des Judentums zu der HEUTIGEN BUERGERLICHEN Gesellschaft untersucht ! Sie haette DIE 'GESELLSCHAFT' im Unterschiede vom 'Staat' DOGMATISCH dahin DEFINIERT, dass, wenn der STAAT ausschliesst, von der Gesellschaft hingegen sich DIEJENIGEN AUSSCHLIESSEN, die nicht an ihrer Entwicklung teilnehmen wollen ! Die Gesellschaft verfaehrt ebenso exklusiv wie der Staat, nur in der hoeflicheren Form, dass sie dich nicht zur Tuer hinauswirft, sondern dir es vielmehr in ihrer Gesellschaft so unbequem macht, dass du selbst zur Tuere freiwillig hinausgehst.

Der Staat verfaehrt im Grunde genommen nicht anders, denn er schliesst niemanden aus, der allen SEINEN Anforderungen und Geboten, der SEINER Entwickelung genuegt. In seiner VOLLENDUNG drueckt er sogar die Augen zu und erklaert WIRKLICHE Gegensaetze fuer UNPOLITISCHE, ihn nicht genierende Gegensaetze. Ueberdem hat die absolute Kritik selbst entwickelt, dass der Staat die Juden ausschliesst, weil und insofern die Juden den Staat ausschliessen, also SICH SELBST vom Staat ausschliessen. Wenn nun diese Wechselbeziehung in der KRITISCHEN 'Gesellschaft' eine galantere, scheinheiligere, heimtueckischere Form erhaelt, so beweist dies nur die groessere Heuchelei und unentwickeltere Bildung DER 'KRITISCHEN' 'GESELLSCHAFT'. (...)

Von derselben KRITISCHEN Tiefe wie diese Aufschluesse ueber DIE 'Gesellschaft' sind die Aufschluesse, die [man von B.BAUER] ueber das Schicksal der NATIONEN erhaelt. Die absolute Kritik gelangt von der Emanzipationssucht der Juden und von der Sucht der christlichen Staaten, sie in ihrem 'Gouvernements-Schematismus einzurubrizieren' -- als ob sie nicht laengst schon in den christlichen Gouvernements-Schematismus einrubriziert waeren ! -- zu Prophezeiungen ueber den VERFALL DER NATIONALITAETEN. Man sieht, auf welchem komplizierten Umweg die absolute Kritik bei der gegenwaertigen geschichtlichen Bewegung ankommt, naemlich auf dem UMWEGE DER THEOLOGIE. (...) Wie Gott SEINEM WERKE, dem Menschen, so laesst DIE Kritik IHREM WERKE, dem Schicksal, seinen EIGENWILLEN. DIE Kritik, deren Werk das Schicksal ist, ist ALLMAECHTIG wie Gott. Sogar der 'Widerstand', den sie ausser sich 'FINDET', ist ihr eigenes Werk. 'DIE Kritik MACHT ihre Gegner'. Die 'MASSENHAFTE EMPOERUNG' gegen sie ist daher nur fuer 'die Masse' selbst 'gefahrdrohend'. Ist aber die Kritik wie Gott ALLMAECHTIG, so ist sie auch ALLWEISE wie Gott und versteht es, ihre Allmacht mit der FREIHEIT, dem WILLEN und der NATURBESTIMMUNG der menschlichen Individuen zu vereinigen. [B.BAUER in seiner Replik gegen die Kritiker seiner 'Judenfrage':] 'Sie waere nicht die epochemachende Kraft, wenn sie nicht diese Wirkung haette, dass sie aus JEDEM DAS MACHT, was er sein WILL, und jedem unwiderruflich den Standpunkt anweist, der SEINER NATUR und SEINEM WILLEN ENTSPRICHT.' [also auf deutsch-tuemlich: 'Jedem das Seine.'] (...)

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DIE JUDENFRAGE NR.III

(...) Die 'Deutsch-Franzoesischen Jahrbuecher' brachten eine Kritik von Herrn BAUERs 'Judenfrage'. [MEW 1:347-377]. Sein Grundirrtum, die Verwechslung der 'POLITISCHEN' mit der 'MENSCHLICHEN Emanzipation', wurde aufgedeckt. Die alte Judenfrage wurde zwar nicht in ihre 'RICHTIGE STELLUNG' gebracht, sondern die 'Judenfrage' wurde in der Stellung behandelt und geloest, welche die neuere Entwicklung DEN ALTEN ZEITFRAGEN gegeben hat und wodurch letztere eben aus 'Fragen' der Vergangenheit zu 'Fragen' der Gegenwart geworden sind. (...) Zunaechst GESTEHT die absolute Kritik: ' In der Judenfrage wurde dasselbe 'VERSEHEN' begangen, das MENSCHLICHE und das POLITISCHE Wesen identifiziert.'

Die Kritik bemerkt, dass 'es zu spaet sein wuerde, wenn man der Kritik wegen der Stellung, die sie vor zwei Jahren noch zum Teil einnahm, einen Vorwurf machen wollte'. 'Es kommt vielmehr darauf an, die Erklaerung davon zu geben, dass die Kritik ... sogar politisieren musste !' (...) 1843 [allerdings] erschien Herrn BAUERs phantastisch-politische Schrift 'STAAT, RELIGION UND PARTEI', welche genau seine alten Irrtuemer ueber das 'POLITISCHE Wesen' wiederholt. (...) In den 'Deutsch-Franzoesischen Jahrbuechern wird [also] die BAUERsche Behandlung der 'Judenfrage' fuer eine WIRKLICH theologische und PHANTASTISCH-politische erklaert. Zunaechst in Bezug auf den 'Vorwurf' ihrer theologischen Beschraenktheit antwortet DIE 'Kritik': 'Die Judenfrage IST eine RELIGIOESE. Die AUFKLAERUNG glaubte sie zu loesen, indem sie den RELIGIOESEN GEGENSATZ als einen GLEICHGUELTIGEN bezeichnete oder sogar leugnete. DIE KRITIK musste ihn dagegen in seiner Reinheit darstellen.'

Bei der POLITISCHEN Partie der Judenfrage angekommen, werden wir sehen, wie der Theologe, Herr BAUER, auch in der Politik nicht mit der Politik, sondern mit der Theologie beschaeftigt ist. Wurde aber in den DEUTSCH-FRANZOESISCHEn JAHRBUECHERn seine Behandlung der Judenfrage als eine 'REIN RELIGIOESE' angegriffen, so handelt es sich speziell um seinen Aufsatz (...) 'Die Faehigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden'. Dieser Aufsatz hat mit der alten 'Aufklaerung' nichts zu schaffen. Er enthaelt die POSITIVE Ansicht des Herrn BAUER ueber die Emanzipationsfaehigkeit der heutigen Juden, also ueber die Moeglichkeit ihrer Emanzipation. 'Die Kritik' sagt: 'Die Judenfrage ist eine RELIGIOESE Frage.' Es fragt sich eben, WAS eine RELIGIOESE Frage IST und namentlich, WAS sie heutzutage IST ?

Der THEOLOGE wird nach dem SCHEIN urteilen und in einer RELIGIOESEN Frage eine RELIGIOESE Frage erblicken. Aber 'die Kritik' erinnere sich ihrer Erklaerung (...), dass die POITISCHEN Interessen der Gegenwart eine GESELLSCHAFTLICHE Bedeutung haben: von POLITISCHEN INTERESSEN sei 'NICHT MEHR die Rede'. Mit demselben Rechte sagten ihr die DEUTSCH-FRANZOESISCHEN JAHRBUECHER: Die RELIGIOESEN Tagesfragen haben heutzutage eine GESELLSCHAFTLICHE Bedeutung. Von RELIGIOESEN Interessen ALS SOLCHEN ist nicht mehr die Rede. Nur noch der THEOLOGE kann glauben, dass es sich um die Religion als Religion handle. Allerdings beginnen die [DT.-FRZ.]JAHRBUECHER das UNRECHT, nicht bei dem WORT 'GESELLSCHAFTLICH' stehen zu bleiben. Die WIRKLICHE Stellung des Judentums in der heutigen buergerlichen Gesellschaft wurde charakterisiert. Nachdem das Judentum aus der RELIGIOESEN Verdummung losgeschaelt und in seinen empirischen, weltlichen, praktischen Kern aufgeloest war, konnte die praktische, WIRKLICH GESELLSCHAFTLICHE Weise, in welcher nun dieser Kern aufzuloesen ist, angedeutet werden. Herr BAUER beruhigt sich dabei, dass 'eine religioese Frage' eine 'religioese Frage' ist.

Es wurde keineswegs, wie Herr BAUER den SCHEIN vormacht, geleugnet, dass die Judenfrage auch eine RELIGIOESE Frage ist. Es wurde vielmehr gezeigt: Herr BAUER begreift NUR das RELIGIOESE Wesen des Judentums, nicht aber die WELTLICHE, REALE GRUNDLAGE dieses religioesen Wesens. Er bekaempft das RELIGIOESE BEWUSSTSEIN als ein selbstaendiges Wesen. Herr BAUER erklaert daher die WIRKLICHEN Juden aus der JUEDISCHEN RELIGION, statt das Geheimnis der juedischen Religion aus den WIRKLICHEN JUDEN zu erklaeren. Herr BAUER versteht den Juden also nur, insoweit er unmittelbarer Gegenstand der THEOLOGIE oder THEOLOGE ist. Herr BAUER ahnt daher nicht, dass das wirkliche, WELTLICHE Judentum und darum AUCH das RELIGIOESE Judentum fortwaehrend von dem HEUTIGEN BUERGERLICHEN LEBEN erzeugt wird und im GELDSYSTEM seine letzte Ausbildung erhaelt. Er konnte dies nicht ahnen, weil er das Judentum nicht als Glied der wirklichen Welt, sondern nur als Glied SEINER Welt, der THEOLOGIE, kannte, weil er als ein frommer und gottergebener Mann nicht im taetigen WERKELTAGSJUDEN, sondern im scheinheiligen SABBATJUDEN den WIRKLICHEN Juden erblickte.

Fuer Herrn BAUER, als CHRISTGLAEUBIGEN Theologen, musste die WELTGESCHICHTLICHE Bedeutung des Judentums von der GEBURTSSTUNDE DES CHRISTENTUMS an aufhoeren. Die alte orthodoxe Ansicht, dass es sich TROTZ der Geschichte erhalten habe, musste daher von ihm wiederholt werden, und der alte theologische Aberglaube, dass das Judentum nur existiere als BESTAETIGUNG des goettlichen Fluchs, als SINNFAELLIGER BEWEIS der christlichen Offenbarung, musste bei ihm in der KRITISCH-THEOLOGISCHEN Form wiederkehren, dass es nur existiere und existiert habe als ROHER RELIGIOESER ZWEIFEL an der ueberweltlichen Abkunft des Christentums, d.h. als SINNFAELLIGER BEWEIS wider die christliche Offenbarung.

Man [=MARX] bewies dagegen, dass das Judentum DURCH die Geschichte, IN und MIT der Geschichte sich erhalten und entwickelt habe, dass aber nicht mit dem Auge des Theologen, sondern mit dem Auge des Weltmannes, weil nicht in der RELIGIOESEN THEORIE, sondern nur in der KOMMERZIELLEN und INDUSTRIELLEN PRAXIS diese Entwicklung zu finden sei. Man erklaerte, WARUM das praktische Judentum seine Vollendung erst in der vollendeten CHRISTLICHEN Welt erreicht, ja die vollendete PRAXIS DER CHRISTLICHEN WELT SELBER ist. Man erklaerte das Dasein des HEUTIGEN Juden nicht aus seiner Religion -- als ob diese ein apartes, fuer sich existierendes Wesen waere -- , man erklaerte das zaehe Leben der juedischen Religion aus praktischen Elementen der buergerlichen Gesellschaft, welche in jener Religion einen PHANTASTISCHEN Reflex finden. Die Emanzipation der Juden zu Menschen oder die menschliche Emanzipation vom Judentum wurde daher nicht, wie von Herrn BAUER, als spezielle Aufgabe des Juden, sondern als allgemeine praktische Aufgabe der heutigen Welt, die bis in ihr innerstes Herz JUEDISCH sei, gefasst. Man bewies, dass die Aufgabe, das juedische Wesen aufzuheben, in Wahrheit die Aufgabe sei, DAS JUDENTUM DER BUERGERLICHEN GESELLSCHAFT, die Unmenschlichkeit der heutigen Lebenspraxis, die im GELDSYSTEM ihre Spitze erhaelt, aufzuheben.

Herr BAUER, als echter, wenn auch KRITISCHER THEOLOGE oder THEOLOGISCHER KRITIKER, konnte ueber den RELIGIOESEN Gegensatz nicht hinauskommen. Er konnte in dem Verhaeltnis der Juden zur christlichen Welt NUR das Verhaeltnis der JUEDISCHEN RELIGION zur CHRISTLICHEN RELIGION erblicken. Er musste sogar den religioesen Gegensatz KRITISCH wiederherstellen, in dem GEGENSATZ zwischen dem Verhaeltnis des Juden und des Christen zur KRITISCHEN Religion -- dem ATHEISMUS, der letzten Stufe des THEISMUS, der NEGATIVEN Anerkennung Gottes. Er musste endlich in seinem THEOLOGISCHEN FANATISMUS die Faehigkeit der 'heutigen Juden und Christen', d.h. der heutigen Welt, 'frei zu werden', auf ihre Faehigkeit, 'die Kritik' der Theologie aufzufassen und selbst auszuueben, BESCHRAENKEN. Wie naemlich dem orthodoxen Theologen die ganze Welt in 'Religion und Theologie' sich aufloest (er koennte sie ebensogut in Politik, Nationaloekonomie etc. aufloesen und die THEOLOGIE z.B. als die himmlische NATIONALOEKONOMIE bezeichnen, da sie die Lehre von der Produktion, Distribution, Austauschung und Konsumtion des 'GEISTLICHEN REICHTUMS' und der Schaetze im Himmel ist !), so loest sich dem radikalen, dem kritischen Theologen die FAEHIGKEIT der Welt, sich zu befreien, in die EINZIGE abstrakte Faehigkeit auf, 'Religion und Theologie' als 'Religion und Theologie' zu kritisieren. Der einzige Kampf, den er kennt, ist der Kampf gegen die RELIGIOESE Befangenheit des Selbstbewusstseins, dessen kritische 'REINHEIT' und 'UNENDLICHKEIT' nicht minder eine theologische Befangenheit ist. Herr BAUER behandelte also die RELIGIOESE und THEOLOGISCHE Frage in RELIGIOESER und THEOLOGISCHER Weise, schon darum, weil er in der 'religioesen' Zeitfrage eine 'REIN RELIGIOESE' Frage sah. (...)

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Nun zur politischen Partie der JUDENFRAGE !

Die JUDEN (wie die Christen) SIND in verschiedenen Staaten vollstaendig POLITISCH EMANZIPIERT. Die Juden und Christen sind weit davon entfernt, MENSCHLICH emanzipiert zu sein. Es muss also ein UNTERSCHIED zwischen der POLITISCHEN und der MENSCHLICHEN Emanzipation stattfinden. Das Wesen der POLITISCHEN Emanzipation, d.h. des ausgebildeten, modernen Staats, ist daher zu untersuchen. Die Staaten dagegen, welche den Juden noch nicht POLITISCH emanzipieren koennen, sind wieder am vollendeten politischen Staate zu messen und als unentwickelte Staaten nachzuweisen.

Das war der Standpunkt, von dem die 'POLITISCHE Emanzipation' der Juden zu behandeln war und in den DEUTSCH-FRANZOESISCHEN JAHRBUECHERN behandelt ist.

Herr BAUER verteidigt die 'Judenfrage' der [kritischen] 'Kritik' wie folgt: 'Den Juden wird gezeigt, dass sie ueber DEN ZUSTAND, von dem sie Freiheit verlangten, in einer Illusion befangen waren.' Herr BAUER hat die Illusion DER DEUTSCHEN Juden, in einem Lande, wo kein politiches [= modernes = buergerliches = demokratisches] Gemeinwesen existiert, Teilnahme an dem politischen Gemeinwesen -- wo nur politische Privilegien existieren, POLITISCHE RECHTE zu verlangen, allerdings gezeigt. Man [=MARX] hat dagegen Herrn BAUER gezeigt, dass er selbst, nicht minder als die Juden, ueber den 'deutschen politischen Zustand' in 'Illusionen' befangen war. Er erklaerte naemlich das Verhaeltnis der Juden in den deutschen Staaten daraus, dass 'DER CHRISTLICHE STAAT' die Juden nicht politisch emanzipieren koenne. Er schlug der Tatsache ins Gesicht, er konstruierte den Staat der PRIVILEGIEN, den CHRISTLICH-GERMANISCHEN Staat, als den absoluten [=feudal-absolutistischen] christlichen Staat. Man [=MARX] bewies ihm dagegen, dass der politisch vollendete, moderne [=buergerlich-demokratische] Staat, der keine religioesen Privilegien kennt, auch der vollendete CHRISTLICHE Staat sei, dass also der vollendete christliche Staat die Juden nicht nur emanzipieren KANN, sondern emanzipiert hat und seinem Wesen nach emanzipieren muss. [Nun wieder BRUNO BAUER:] 'Den Juden wird gezeigt ..., dass sie sich ueber sich selbst die groessten Illusionen machen, wenn sie FREIHEIT und Anerkennung der FREIEN MENSCHLICHKEIT zu verlangen meinten, waehrend es ihnen nur um ein besonderes PRIVILEGIUM zu tun sei und zu tun sein koenne.' -- FREIHEIT! ANERKENNUNG DER FREIEN MENSCHLICHKEIT! BESONDERES PRIVILEGIUM! Erbauliche Worte, um bestimmte Fragen apologetisch zu umgehen!

FREIHEIT? Es handelte sich um die POLITISCHE Freiheit. Man [=MARX] hat Herrn BAUER gezeigt, dass der Jude, wenn er Freiheit verlangt und dennoch seine Religion nicht aufgeben will, 'POLITISIERT' und keine der POLITISCHEN Freiheit widersprechende Bedingung stellt. Man zeigte Herrn BAUER, wie die ZERSETZUNG des Menschen in den nichtreligioesen STAATSBUERGER und den religioesen PRIVATMENSCHEN keineswegs der politischen Emanzipation widerspricht. Man zeigte ihm, dass, wie der Staat sich von der Religion emanzipiert, indem er sich von der STAATSRELIGION emanzipiert, innerhalb der buergerlichen Gesellschaft aber die Religion sich selbst ueberlaesst, so der einzelne Mensch sich POLITISCH von der Religion emanzipiert, indem er sich zu ihr nicht mehr als zu einer OEFFENTLICHEN Angelegenheit sondern als zu seiner PRIVATANGELEGENHEIT verhaelt. Man zeigte endlich, dass das terroristische Verhalten der franzoesischen Revolution zur RELIGION, weit entfernt, diese Auffassung zu widerlegen, sie vielmehr bestaetigt.

Statt das wirkliche Verhaeltnis des MODERNEN Staats zur Religion zu untersuchen, musste Herr BAUER einen KRITISCHEN Staat imaginieren, einen Staat, der nichts anderes ist als der in seiner Phantasie ZUM STAAT AUFGEBLAEHTE KRITIKER DER THEOLOGIE. Wenn Herr BAUER in der POLITIK befangen ist, so nimmt er stets wieder die Politik unter seinen Glauben, den KRITISCHEN Glauben, gefangen. (...) Der Staat dient als Exekutor der KRITISCH-THEOLOGISCHEN Herzenswuensche. Als Herr BAUER zuerst von der ORTHODOXEN unkritischen THEOLOGIE sich befreit hatte, trat ihm die POLITISCHE AUTORITAET an die Stelle der RELIGIOESEN AUTORITAET. Sein Glaube an JEHOVA verwandelte sich in den Glauben an den preussischen Staat. (...)

Die politische Bewegung, welche im Jahre 1840 begann, erloeste Herrn BAUER von SEINER KONSERVATIVEN POLITIK und erhob ihn fuer einen Augenblick zur LIBERALEN Politik. Es war aber wieder die Politik eigentlich nur ein PRAETEXT fuer die Theologie. (...) In der 'Judenfrage' bildet der Gegensatz des Staats und der Religion das Hauptinteresse, sodass die Kritik der politischen Emanzipation sich in eine Kritik der juedischen Religion verwandelt. In der letzten politischen Schrift 'Staat, Religion und Partei' wird endlich der geheimste Herzenswunsch des zum Staat aufgeblaehten Kritikers ausgesprochen. Die RELIGION wird dem STAATSWESEN GEOPFERT, oder vielmehr, das Staatswesen ist nur das MITTEL, um den Gegner 'DER Kritik', die unkritische Religion und Theologie, um ihr Leben zu bringen. Endlich, nachdem DIE Kritik durch die seit 1843 in Deutschland sich ausbreitenden sozialistischen Gedanken von aller Politik, wenn auch nur scheinbar, erloest worden ist, wie sie durch die politische Bewegung nach 1840 von ihrer konservativen Politik erloest wurde, endlich kann sie ihre Schriften gegen die UNKRITISCHE Theologie fuer gesellschaftlich erklaeren und ihre eigene KRITISCHE Theologie, den Gegensatz von Geist und Masse, wie die Verkuendung des kritischen Heilands und Welterloesers, ungehindert betreiben.

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Zu unserem Thema zurueck !

ANERKENNUNG DER FREIEN MENSCHLICHKEIT ? Die 'freie Menschlichkeit', deren Anerkennung die Juden nicht zu begehren meinten sondern wirklich begehrten, ist dieselbe 'freie Menschlichkeit', welche ihre KLASSISCHE Anerkennung in den sogenannten allgemeinen MENSCHENRECHTEN gefunden hat. (...) In den DEUTSCH-FRANZOESISCHEn JAHRBUECHERn wurde nun dem Herrn BAUER entwickelt, dass diese 'freie Menschlichkeit' und ihre 'Anerkennung' nichts anderes ist als die Anerkennung des EGOISTISCHEN, BUERGERLICHEN INDIVIDUUMS und der ZUEGELLOSEN Bewegung der geistigen und materiellen Elemente, welche den Inhalt seiner Lebenssituation, den Inhalt des HEUTIGEN buergerlichen Lebens bilden, dass die MENSCHENRECHTE den Menschen daher nicht von der Religion befreien, sondern ihm die RELIGIONSFREIHEIT geben, ihn nicht von dem Eigentum [= Macht/Monopol des Privateigentums] befreien, sondern ihm die FREIHEIT DES EIGENTUMS verschaffen, ihn nicht von dem Schmutz des Erwerbs [= Unterwerfung unter allseitige Ware-Geld-Beziehungen, Zwang zum »Schachern«, Handel -- NB im Deutschen zu BAUERs und MARX' Zeit synonym mit 'Judentum'] befreien, sondern ihm vielmehr die GEWERBEFREIHEIT verleihen.

Man [=MARX] zeigte nach, wie die ANERKENNUNG DER MENSCHENRECHTE DURCH DEN MODERNEN STAAT keinen anderen Sinn hat als die ANERKENNUNG DER SKLAVEREI DURCH DEN ANTIKEN STAAT. Wie naemlich der antike Staat das Sklaventum, so hat der MODERNE STAAT die buergerliche Gesellschaft zur NATURBASIS, sowie den MENSCHEN der buergerlichen Gesellschaft, d.h. den unabhaengigen, nur durch das Band des Privatinteresses und der BEWUSSTLOSEN Naturnotwendigkeit mit dem Menschen zusammenhaengenden Menschen, den SKLAVEN der Erwerbsarbeit und seines eigenen wie des fremden EIGENNUETZIGEN Beduerfnisses.

Der moderne Staat hat diese seine Naturbasis als solche anerkannt in den ALLGEMEINEN MENSCHENRECHTEN. Und er schuf sie nicht. Wie er das Produkt der durch ihre eigene Entwicklung ueber die alten politischen Bande hinausgetriebenen buergerlichen Gesellschaft war, so erkannte er nun seinerseits die eigene Gebuertsstaette und Grundlage durch die PROKLAMATION der MENSCHENRECHTE an. Dass die Juden also POLITISCH emanzipiert und dass ihnen die 'MENSCHENRECHTE' verliehen werden, ist ein sich wechselseitig bedingender Akt. Herr RIESSER [ueber diesen schrieb MARX MEW 2,S.100: er 'behauptet gegen B.BAUER, sein Staat (naemlich der KRITISCHE STAAT) muesse 'Juden' und 'Christen' ausschliessen. Herr RIESSER befindet sich im Rechte.'] drueckt den Sinn, welcher das Begehren der Juden nach Anerkennung der freien Menschlichkeit hat, richtig aus, wenn er unter anderen das freie Gehen, Verweilen, Reisen, Gewerbetreiben und dergleichen begehrt. Diese Aeusserungen der 'FREIEN MENSCHLICHKEIT' werden ausdruecklich in der franzoesischen Proklamation der Menschenrechte als solche anerkannt. Der Jude hat ein um so groesseres Recht auf diese Anerkennung seiner 'freien Menschlichkeit', als die 'freie buergerliche Gesellschaft' durchaus kommerziellen juedischen Wesens und er von vornherein ihr notwendiges Glied ist.

Man [=MARX] entwickelte ferner in den DEUTSCH-FRANZOESISCHEN JAHRBUECHERN, warum das Mitglied der buergerlichen Gesellschaft par excellence 'der Mensch' genannt wird und warum die Menschenrechte 'angeborene Rechte' heissen. DIE 'Kritik' wusste naemlich nichts Kritischeres ueber die Menschenrechte zu sagen, als dass sie NICHT angeboren, sondern geschichtlich entstanden sind, was schon HEGEL zu sagen wusste. Ihrer Behauptung endlich, dass Juden und Christen, um die allgemeinen Menschenrechte zu verleihen und zu empfangen, das PRIVILEGIUM DES GLAUBENS AUFOPFERN MUESSTEN -- der kritische Theologe legt allen Dingen seine einzige fixe Idee unter -- , stellte man [=MARX] speziell die in allen unkritischen Proklamationen der Menschenrechte vorliegende Tatsache gegenueber, dass das RECHT, zu glauben was man will, das Recht, den Kultus einer beliebigen Religion auszuueben, ausdruecklich als ALLGEMEINES MENSCHENRECHT anerkannt ist. DIE 'Kritik' konnte ueberdem wissen, dass die Partei HÉBERT [= die 'ENRAGÉS', d.h. 'die Rasenden, Wuetenden': extrem linker, plebejischer, offen atheistischer Fluegel der franzoesischen Revolution 1793/94] namentlich(,) unter dem Vorwand eines Angriffs auf die Menschenrechte, weil auf die RELIGIONSFREIHEIT, gestuerzt wurde, dass ebenso bei der spaeteren Wiederherstellung der Kultusfreiheit auf die Menschenrechte provoziert wurde.

[MARX zeigt weiter: Waere die Kritische Kritik nicht aufs bornierteste deutsch-rueckstaendig befangen in der Gleichsetzung der allgemeinen gesellschaftlichen Verhaeltnisse mit der POLITIK und dementsprechend fixiert auf den allgemeinen politisch-staatlichen Widerspruch des Feudal-Absolutismus und der konstitutionellen Monarchie, d.h. der Staatsform der PRIVILEGIEN, mit dem modernen demokratischen Staatsanspruch der freien und gleichen Buerger,] waere sie naemlich bis zur AUFHEBUNG dieses allgemeinen Widerspruchs fortgegangen, so waere sie von der konstitutionellen MONARCHIE richtig bei dem DEMOKRATISCHEN REPRAESENTATIVSTAAT, bei dem vollendeten modernen Staat angekommen.

Weit entfernt, das Wesen der politischen Emanzipation kritisiert und sein bestimmtes Wesen zur menschlichen Emanzipation ergruendet zu haben, waere sie erst bei dem FAKTUM der politischen Emanzipation, bei dem entwickelten modernen Staat angelangt, also erst da, wo die Existenz des modernen Staates seinem Wesen entspricht, wo daher auch die nicht nur relativen, sondern absoluten, die sein Wesen selbst konstituierenden GEBRECHEN angeschaut und charakterisiert werden koennen. [Diese politikbornierte, deutsch-demokratisierende B.BAUERsche Argumentationsverstrickung] beweist, dass DIE Kritik in demselben Augenblicke, wo sie das 'POLITISCHE WESEN' tief unter sich erblickt, vielmehr tief unter ihm steht, im politischen Wesen noch die Aufloesung IHRER [= der Kritischen Kritiker theologie-kritisch/kritisch-theologisch/negativ-theologischen, politik/staats-bornierten, demokratie-fixierten] Widersprueche finden muss und noch immer bei ihrer voelligen Gedankenlosigkeit ueber das MODERNE STAATSPRINZIP verharrt. (...)

Von dieser Art sind alle Widersprueche des politischen Wesens, die Herr BAUER in der Judenfrage entwickelt, Widersprueche des KONSTITUTIONALISMUS, der im allgemeinen der Widerspruch zwischen dem modernen Repraesentativstaat und dem alten Staat der Privilegien ist. Herr BAUER begeht nun ein sehr gruendliches Versehen, wenn er durch die Fassung und Kritik dieses Widerspruchs als eines 'allgemeinen' von dem POLITISCHEN Wesen zum MENSCHLICHEN Wesen sich zu erheben meint. Er haette sich nur von der halben zur ganzen POLITISCHEN Emanzipation, von dem konstitutionellen zum demokratischen RepraesentativSTAAT erhoben.

Herr BAUER glaubt mit der Aufhebung des PRIVILEGIUMS den GEGENSTAND des Privilegiums aufzuheben. Er sagt (...): 'ES GIBT KEINE RELIGION MEHR, wenn es KEINE PRIVILEGIERTE RELIGION mehr GIBT. Nehmt der Religion ihre ausschliessende Kraft, und sie existiert nicht mehr.' Wie aber die GEWERBETAETIGKEIT nicht aufgehoben wird, sobald man die PRIVILEGIEN der GEWERBE, der Zuenfte und Korporationen aufhebt, vielmehr erst nach Aufhebung dieser Privilegien die wirkliche INDUSTRIE beginnt: wie das GRUNDEIGENTUM nicht aufgehoben wird, sobald man den PRIVILEGIERTEN Grundbesitz aufhebt, vielmehr erst mit Aufhebung seiner Privilegien, in der freien Parzellierung und der freien Veraeusserung, seine universelle Bewegung beginnt: wie der HANDEL durch die Aufhebung der HANDELSPRIVILEGIEN nicht aufgehoben, sondern im freien Handel erst wahrhaft verwirklicht wird, so entfaltet sich die Religion in ihrer PRAKTISCHEN Universalitaet (man denke an die nordamerikanischen Freistaaten) erst da, wo es keine PRIVILEGIERTE Religion gibt.

Der moderne 'OEFFENTLICHE ZUSTAND', das ausgebildete moderne Staatswesen hat nicht, wie DIE Kritik meint, die Gesellschaft der Privilegien, sondern die Gesellschaft der AUFGEHOBENEN und AUFGELOESTEN PRIVILEGIEN, die entwickelte BUERGERLICHE GESELLSCHAFT, worin die in den Privilegien noch politisch gebundenen Lebenselemente freigelassen sind, zugrunde liegen. KEINE 'PRIVILEGIERTE ABGESCHLOSSENHEIT' steht hier weder der andern noch dem oeffentlichen Zustande gegenueber. Wie die freie Industrie und der freie Handel die privilegierte Abgeschlossenheit und damit den Kampf der privilegierten Abgeschlossenheiten untereinander aufheben, dagegen an ihre Stelle den vom Privilegium -- welches von der allgemeinen Gesamtheit abschliesst, aber zugleich zu einer kleineren exklusiven Gesamtheit zusammenschliesst -- losgebundenen, selbst nicht mehr durch den SCHEIN eines allgemeinen Bandes an den anderen Menschen geknuepften Menschen setzen und den allgemeinen Kampf von Mann wider Mann, Individuum wider Individuum erzeugen, so ist die ganze BUERGERLICHE GESELLSCHAFT dieser Krieg aller nur mehr durch ihre INDIVIDUALITAET voneinander abgeschlossenen Individuen gegeneinander und die allgemeine zuegellose Bewegung der aus den Fesseln der Privilegien befreiten elementarischen Lebensmaechte.

Der Gegensatz von DEMOKRATISCHEM REPRAESENTATIVSTAAT und BUERGERLICHER GESELLSCHAFT ist die Vollendung des KLASSISCHEN Gegensatzes von oeffentlichem GEMEINWESEN und SKLAVENTUM. In der modernen Welt ist jeder ZUGLEICH Mitglied des Sklaventums und des Gemeinwesens. Eben das SKLAVENTUM DER BUERGERLICHEN GESELLSCHAFT ist dem SCHEIN nach die groesste FREIHEIT, weil die scheinbar vollendete UNABHAENGIGKEIT des Individuums, welche die zuegellose, nicht mehr von allgemeinen Banden und nicht mehr vom Menschen gebundene Bewegung seiner entfremdeten Lebenselemente, wie z.B. des [privaten] Eigentums [an gesellschaftlichen Lebensmitteln, Produktionsbedingungen -- oder nur seines Arbeitsvermoegens], der Industrie, der Religion etc., fuer seine EIGENE Freiheit nimmt, waehrend sie vielmehr seine vollendete Knechtschaft und Unmenschlichkeit ist. An die Stelle des PRIVILEGIUMS ist hier DAS RECHT getreten. Also erst hier (...), wo dem oeffentlichen Zustand KEINE privilegierte Abgeschlossenheit entgegensteht, wo der von DER 'Kritik' entwickelte Widerspruch AUFGEHOBEN ist, ist das VOLLENDETE MODERNE STAATSWESEN VORHANDEN.

Hier herrscht auch geradezu die UMKEHRUNG des Gesetzes, das Herr BAUER (...) ausspricht (: ... Es) 'wuerde die Erklaerung, dass das SABBATSGESETZ fuer den Juden keine Verbindlichkeit mehr habe, die PROKLAMATION DER AUFLOESUNG DES JUDENTUMS SEIN.' In dem entwickelten modernen Staat verhaelt es sich gerade UMGEKEHRT. Der Staat erklaert, dass die Religion, wie die uebrigen buergerlichen Lebenselemente, erst in ihrem vollen Umfang zu existieren BEGONNEN haben, sobald er sie fuer UNPOLITISCH erklaert und daher sich selbst ueberlaesst. Der Aufloesung ihres POLITISCHEN Daseins, wie etwa der Aufloesung des EIGENTUMS durch die Aufhebung des WAHLZENSUS, der Aufloesung der RELIGION durch die Aufhebung der STAATSKIRCHE, eben dieser Proklamation ihres staatsbuergerlichen Todes entspricht ihr gewaltigstes Leben, das nun ungestoert seinen eigenen Gesetzen gehorcht und die ganze Breite seiner Existenz auseinanderlegt.

Die ANARCHIE ist das Gesetz der von den gliedernden PRIVILEGIEN emanzipierten BUERGERLICHEN Gesellschaft, und die ANARCHIE der BUERGERLICHEN GESELLSCHAFT ist die Grundlage des modernen OEFFENTLICHEN ZUSTANDES, wie der oeffentliche Zustand wieder seinerseits die Gewaehr dieser Anarchie ist. So sehr sich beide entgegengesetzt sind, so sehr bedingen sie sich wechselseitig.

(...) Ende gut, alles gut ! Am Schlusse des Treffens gegen die ihrer 'Judenfrage' feindliche MASSE gesteht DIE Kritik, dass IHRE Fassung der 'MENSCHENRECHTE', IHRE 'Wuerdigung der Religion in der franzoesischen Revolution', das 'freie politische Wesen, auf welches SIE AM SCHLUSS IHRER Eroerterungen zuweilen hinwies', kurz, die ganze 'Zeit der franzoesischen Revolution fuer DIE Kritik nichts mehr und nichts minder war als ein Symbol -- also nicht genau und im prosaischen Sinne jene Zeit der revolutionaeren Versuche der Franzosen -- ein Symbol, also auch nur ein phantastischer Ausdruck fuer die Gestalten war, die sie am Ende sah.' Wir wollen DER Kritik den Trost nicht rauben, dass, wenn sie sich politisch versuendigte, es nur am 'Schluss' und am 'Ende' ihrer Werke geschah. Ein bekannter Trunkenbold pflegte sich dabei zu beruhigen, dass er nie vor Mitternacht betrunken sei.

Auf dem Terrain der 'Judenfrage' hat DIE Kritik unstreitig DEM Feinde immer mehr Raum abgewonnen. Nr.1 der 'Judenfrage' war die von Herrn BAUER verteidigte Schrift DER Kritik noch absolut und hatte die 'WAHRE' und 'ALLGEMEINE' Bedeutung der 'Judenfrage' enthuellt. Nr.2 'WOLLTE UND DURFTE' DIE Kritik nicht ueber DIE Kritik hinausgehen. Nr.3 haette sie noch 'EINEN SCHRITT' machen MUESSEN, aber er war 'UNMOEGLICH'. Nicht ihr 'Wollen und Duerfen', sondern die Verstrickung in ihrem 'Gegensatz' hinderte sie an diesem 'EINEN SCHRITT'. Sie haette gar zu gern ueber die letzte Barriere hinuebergesetzt, aber ungluecklicherweise war ein LETZTER REST von MASSE an ihren kritischen Meilenstiefeln haengengeblieben.«

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